Steinmeier-Besuch in der Ukraine: Zurück im Land seiner dramatischsten Stunden
Bundespräsident Steinmeier besucht zum ersten Mal als Präsident die Ukraine — und mahnt mehr Reform-Elan an.
Kiew. Wenn es für Frank-Walter Steinmeier ein politisches Schicksalsland gibt, dann ist es wohl die Ukraine. Dutzende Male war er hier. Im Februar 2014 erlebte er dramatische Stunden, als wegen der Proteste auf dem Maidan ein Bürgerkrieg drohte. Den konnte er in letzter Minute verhindern, dafür kam in der Ostukraine ein anderer Krieg, und wieder verhandelte Steinmeier. Bis 2015 das Minsker Abkommen stand. Jetzt ist der 62-Jährige erstmals als Bundespräsident in dieses Land zurückgekehrt.
Für Krieg und Frieden ist er nun nicht mehr zuständig. Obwohl man im Gespräch mit ihm merkt, wie gern er es wohl wieder wäre. Kaum ein Dossier, das er nicht im Kopf hat. Und die meisten Akteure kennt er sowieso von früher. Aber Diplomatie macht jetzt Heiko Maas, der morgen ebenfalls nach Kiew kommt und dann weiterreist an die „Konfliktlinie“ genannte Front im Osten. International werden die Friedensbemühungen gerade wieder stark intensiviert. Steinmeier reist von der Hauptstadt hingegen weiter in den Westen des Landes, ins ruhige Lemberg.
Aber er ist trotzdem nicht nur zum Repräsentieren gekommen. Zwar füllen allerlei Kranzniederlegungen viele Stunden. In Lemberg auch das Treffen mit den Vertretern der im Krieg von den Deutschen fast ausgelöschten Jüdischen Gemeinde. Seine eigentliche Botschaft aber ist eine andere. In einer Rede vor Studenten der Kiewer Universität erinnert er an die Hoffnungen der Aufständischen im Jahr 2014 und mahnt, „nicht scheitern zu lassen, was auf dem Maidan entstanden ist“. Die Ukrainer sollten sich ihre Gestaltungsmöglichkeiten nicht wieder nehmen lassen, „nicht durch Druck von außen, aber auch nicht im Innern durch Ungeduld, die in Enttäuschung, Zynismus und Populismus umschlägt“.
Im frisch renovierten Marienpalast begrüßt Präsident Petro Poroschenko Steinmeier als ersten Staatsgast überhaupt. Der einstige Hoffnungsträger der Ukrainer, der ohne die damalige Vermittlungsmission des Deutschen wohl gar nicht im Amt wäre, ist mittlerweile zum Problem geworden. Viele der versprochenen und von der EU wie vom IWF geforderten Reformen kommen nicht voran, vor allem nicht der Kampf gegen die grassierende Korruption.
Die beginnt, wissen Ukrainer aus ihrem Alltag zu erzählen, schon, wenn man einen Arzttermin möchte oder eine Wohnung sucht. Und endet bei den großen Geschäften der Oligarchen. Poroschenko ist einer der größten von ihnen. Steinmeier sagt zu dem Thema vor den Studenten: „Korruption und Nationalismus können auf unterschiedliche Weise gefährden, was auf dem Maidan unter großen Opfern erkämpft wurde.“