Bis zu 478 Euro SPD will neues Kindergeld - Zahlungen sollen nach Einkommen gestaffelt werden

Berlin · Je ärmer eine Familie ist, desto mehr Kindergeld soll sie bekommen. Das ist die Basis eines neuen Kindergeld-Konzepts, dass die SPD einführen will.

 Symbolbild

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Foto: dpa-tmn/Monika Skolimowska

Die SPD will Familien mit geringeren Einkommen durch ein neues Kindergeld vor Armut schützen. Die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer stellte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe von Mittwoch ein Konzept vor, das die Sozialdemokraten auf ihrem Bundesparteitag im Dezember beschließen wollen. „Wir wollen eine existenzsichernde Geldleistung anbieten, die alle bisherigen Familienleistungen zusammenfasst“, sagte Dreyer. „Sie soll gestaffelt sein nach Einkommenssituation der Eltern.“

Je ärmer die Familie ist, desto höher wird demnach die Geldleistung sein. Der monatliche Basisbetrag liege bei 250 Euro, der Höchstbetrag für Kinder ab 14 Jahren bei 478 Euro. Die SPD will auch ein „Teilhabekonto“ in Form einer Kinderkarte mit monatlich 30 Euro einführen. Damit hätten Kinder die Möglichkeit, „in den Sportverein, die Musikschule oder ins Schwimmbad zu gehen - unabhängig vom Geldbeutel der Eltern“, erläuterte Dreyer. Außerdem soll es in ganz Deutschland beitragsfreie Kitas, kostenlose Ganztagsangebote für Schulkinder und freie Fahrt mit Bus und Bahn im Nahverkehr für alle Kinder geben.

Die Kosten bezifferte Dreyer auf elf Milliarden Euro. Zur Finanzierung sagte sie: „Dafür muss Geld da sein, dafür wird Geld da sein.“ In einem reichen Land wie Deutschland könne es nicht sein, dass so viele Kinder in Kinderarmut seien. „Das nehmen wir uns genauso fest vor wie den Mindestlohn und die Grundrente in der Vergangenheit“, kündigte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz an.

Hoffnung, dass sich das Konzept in der großen Koalition umsetzen lässt, hegt Dreyer allerdings nicht. Die SPD stelle sich programmatisch neu auf. „Die Erwartung, dass wir alles eins zu eins umsetzen können in dieser Koalition, wäre realitätsfremd“, sagte Dreyer. „Ich bin mir aber sicher: Für eine Kindergrundsicherung werden wir kämpfen in jeder neuen Koalition.“

Die SPD kommt vom 6. bis 8. Dezember zu ihrem Bundesparteitag in Berlin zusammen. Im Mittelpunkt des Delegiertentreffens steht die Wahl einer neuen Parteispitze. So dürften die Delegierten das künftige SPD-Spitzenduo absegnen, das derzeit per Mitgliederbefragung ermittelt wird.

Die Grundzüge der Pläne im Überblick:

NEUES KINDERGELD:

Das Konzept hat zwei Säulen - einerseits das neue Kindergeld: Es soll das bisherige Kindergeld, den Kinderzuschlag, die Kindersätze der Grundsicherung und Teile des Bildungs- und Teilhabepakets ersetzen - und nach Einkommen der Eltern und Alter der Kinder gestaffelt sein. Alle sollen 250 Euro pro Kind und Monat erhalten. Bei Familien mit geringem Einkommen sollen das Kindergeld bis zu 400 Euro für Kinder bis 6 Jahren, 458 für 6 bis 13-Jährige und 478 Euro für Jugendliche ab 14 anwachsen können. Enthalten sein soll bei Geringverdienern der Regelbedarf, der Kinderanteil der Wohnkosten und ein Betrag für Teilhabe. Erwirtschaften die Eltern mehr Einkommen als für den Lebensunterhalt benötigt, sinkt der Höchstbetrag - um 35 Euro für jede 100 Euro, die Eltern zusätzlich verdienen.

Ändern soll sich auch etwas bei den Kinderfreibeträgen: Der Anteil für Betreuung, Erziehung und Ausbildung soll gesenkt werden - der Steuervorteil der Freibeträge soll auf maximal 250 Euro pro Kind sinken.

Beantragt werden kann das neue Kindergeld laut Konzept einfach und digital. Die Leistungen sollen existenzsichernd sein, für künftige Berechnungen soll eine Kommission eingesetzt werden.

KITAS, SCHULE, NAHVERKEHR:

Bildung und Teilhabe - das ist der Kern der anderen Säule. Vom neuen Kindergeld sollen monatlich 30 Euro auf ein Teilhabekonto in Form einer Kinderkarte fließen. Nutzen können soll man das für gebührenpflichtige Angebote wie Sportvereine, Schwimmbäder oder Musikschulen. Durchsetzen will die SPD zudem flächendeckend beitragsfreie Kitas ab dem ersten Geburtstag, kostenlose Ganztagsangebote für Grundschüler von 8 bis 16 Uhr, Ganztagsangebote für alle Schüler sowie freie Fahrt mit Bus und Bahn im Nahverkehr für alle Kinder. Die Kinderkarte soll mit einer App verbunden sein, die einen Überblick über Kultur- und Freizeitangebote ermöglicht.

KOSTEN:

Dreyer nannte Kosten von 11 Milliarden Euro. „Dafür muss Geld da sein, dafür wird Geld da sein“, sagte sie.

LEISTUNGEN HEUTE:

Steuerliche Freibeträge entlasten Familien mit hohem Einkommen mit bis zu 300 Euro. Das Kindergeld beträgt heute 204 Euro fürs erste Kind. Als Kinderzuschlag für Familien mit geringem Einkommen, aber über Hartz-IV-Niveau (inklusive Zuschlag) gibt es maximal 185 Euro. Der Hartz-IV-Satz beträgt 245 Euro für kleine Kinder, 302 Euro für Kinder ab 6, für Jugendliche von 14 bis 17 Jahren 322 Euro. Kindergeld wird auf Hartz IV angerechnet. Durch das Teilhabepaket gibt es unter anderem 150 Euro für Schulstarter.

ANDERE PARTEIEN:

Die Kindergrundsicherung wären in einem Bündnis mit Grünen und Linken am ehesten realisierbar. Die Grünen wollen eine Grundsicherung mit mindestens 280 Euro pro Kind - und mehr für Bedürftige. Auch sie wollen das heutige Leistungsdickicht ablösen. Die Linken fordern eine umgehende Erhöhung des Kindergelds auf 328 Euro und eine Kindergrundsicherung in Höhe von 573 Euro.

Die Union lehnt eine allgemeine Kindergrundsicherung ab - Orientierung am Bedarf statt pauschale Leistungen heißt die Devise. Dreyer sagte: „Die Erwartung, dass wir alles eins zu eins umsetzen können in dieser Koalition, wäre realitätsfremd.“ Kritisch ist auch die FDP. Ihr Sozialpolitiker Pascal Kober sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Allein die Erhöhung von Geldleistungen wird die Probleme nicht lösen, denn entscheidend ist, dass die Leistungen von den Kindern auch tatsächlich in Anspruch genommen werden.“ Die AfD lehnt eine Kindergrundsicherung ab - belohnt würde, wer nicht arbeite.

(afp/dpa)
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