Nach Suizid des Chemnitzer Terrorverdächtigen SPD-Sprecher Lischka gegen Kleinstaaterei im deutschen Justizvollzug

Berlin. Nach dem Suizid des Terrorverdächtigen Al-B. fordert die SPD die Korrektur der Föderalismusreform II. Angesichts einer drastisch gestiegenen Zahl islamistischer Gefährder sei dies dringend notwendig, so der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, im Interview mit unserer Redaktion.

Nach Suizid des Chemnitzer Terrorverdächtigen: SPD-Sprecher Lischka gegen Kleinstaaterei im deutschen Justizvollzug
Foto: Sebastian Willnow

Herr Lischka, wie sollte künftig mit Terrorverdächtigen verfahren werden?

Lischka: Die Ereignisse in Sachsen haben uns leider vor Augen geführt, dass die Kleinstaaterei im Justizvollzug an seine Grenzen stößt. Gerade mit Blick auf die drastisch gestiegene Anzahl islamistischer Gefährder in den vergangenen Jahren braucht es jetzt klare Regelungen und einen einheitlichen Umgang mit diesen - und zwar in ganz Deutschland. Es kann doch nicht sein, dass beispielsweise in einem Bundesland die Videoüberwachung solcher Gefangener möglich ist, in einem anderen Land dagegen nicht.

Das heißt, der Föderalismus stößt bei der Terrorabwehr an seine Grenzen?

Lischka: Ja, das sehe ich in der Tat so. Wir hatten vor der Föderalismusreform II, die 2006 in Kraft trat, bundeseinheitliche Regelungen für den Justizvollzug und haben diese unnötigerweise föderalisiert. Das hat nun leider dazu geführt, dass die einzelnen Länder unterschiedliche Erfahrungen und Standards beim Umgang mit und der Unterbringung von Terrorverdächtigen haben, die nicht hinnehmbar sind. Deshalb brauchen wir eine Korrektur dieses Teils der Föderalismusreform. Einen Flickenteppich können wir uns bei der Terrorbekämpfung nicht leisten.

Benötigen wir auch Bundesgefängnisse?

Lischka: Wir brauchen zumindest einige wenige zentrale Einrichtungen, in denen wir Terrorverdächtige und Dschihadisten unterbringen und diese so nicht über alle 16 Länder verteilt werden. So können wir einheitliche Standards gewährleisten und vor allem speziell geschultes Personal einsetzen. Außerdem verringert man die Gefahr einer Weiterinfizierung von Mithäftlingen mit islamistischem Gedankengut. Wenn wir weiterhin Dschihadisten in normalen Justizvollzugsanstalten unterbringen, besteht die Gefahr, dass unsere Gefängnisse zu Brutstätten des Extremismus werden.

Welche Lehren würden Sie noch aus den Ereignissen in Sachsen ziehen?

Lischka: Eine zentrale Lehre für die Politik muss sein, dass wir die Sicherheitsbehörden und den Justizvollzug nicht kaputt sparen dürfen. Sachsen ist ein Beispiel, wie man es nicht machen sollte. Schauen Sie sich mal eine JVA bei Nacht an, da werden Sie schon ziemlich suchen müssen, um einen Justizbeamten anzutreffen. Das kann und darf nicht sein, denn dies führt zu einer gefährlichen Überbelastung des Personals und gefährdet die Sicherheit, wie wir in Sachsen erlebt haben.

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