SPD siegt im Nordosten - Rot-Schwarz oder Rot-Rot?

Schwerin/Berlin (dpa) - Triumph für SPD und Grüne, Schlappe für Angela Merkels CDU, noch ein Fiasko für die FDP: Nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern kann SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering weiter regieren und sich den Koalitionspartner aussuchen.

In Frage kommt wie bisher die CDU - die in der politischen Heimat der Bundeskanzlerin so schlecht abschneidet wie nie - oder die erneut schwächelnde Linke. Die Grünen ziehen erstmals in den Landtag ein und sind damit in allen Parlamenten von Bund und Ländern vertreten.

Die krisengeschüttelte FDP fliegt zum vierten Mal in diesem Jahr aus einem Landesparlament und hofft jetzt auf die Berliner Abgeordnetenhauswahl in zwei Wochen. Die rechtsextreme NPD bleibt nach einem aggressiven Plakat-Wahlkampf im Parlament. Nach einer ersten Analyse von Wahlforschern war die Abstimmung eindeutig von Landesthemen und wenig von der Bundespolitik geprägt - dennoch sehen SPD und Grüne bereits ein Signal für die Bundestagswahl 2013.

Der 61-jährige Sellering hielt sich am Abend wie im Wahlkampf alle Koalitionsoptionen offen. „Wir werden mit beiden Gespräche führen.“ Wichtige Kriterien seien Mindestlöhne und ein striktes Nein zu neuen Schulden. Mecklenburg-Vorpommern macht bereits seit 2006 keine neuen Schulden mehr.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe plädierte trotz der Niederlage von Merkels Landesverband für eine Fortsetzung des rot-schwarzen Bündnisses. Linken-Chefin Gesine Lötzsch hingegen warb für Rot-Rot. Der Spitzenkandidat ihrer Partei, Helmut Holter, machte das schwache Bild der Linken im Bund für das ernüchternde Ergebnis verantwortlich.

Für die FDP ist es die zweite schwere Niederlage nach Amtsantritt des neuen Vorsitzenden Philipp Rösler - im Mai war sie schon in Bremen gescheitert. Der Parlamentsgeschäftsführer im Bundestag, Christian Ahrendt, trat als Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern umgehend zurück. Generalsekretär Christian Lindner sagte mit Blick auf die Dauerquerelen im Bund: „Wir wissen, dass Vertrauen verloren gegangen ist. Es braucht Zeit, das zurückzugewinnen.“

SPD und Grüne, für die es in Schwerin nicht zu einer Koalition reicht, sehen im Ergebnis Rückenwind für die Berliner Abgeordnetenhaus-Wahl in zwei Wochen. „Das ist ein starker Wahlsieg“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Grünen-Parteichef Cem Özdemir meinte: „Das ist ein Signal dafür, dass die Bürger einen anderen Kurs wollen. Es lässt hoffen, dass es 2013 die Chance auf einen Regierungswechsel im Bund gibt.“

Nach dem offiziellen vorläufigen Ergebnis legte die SPD auf 35,7 Prozent zu (+5,5 Punkte). Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Lorenz Caffier landete bei nur noch 23,1 Prozent (-5,7) - und das, obwohl die Bundesvorsitzende Merkel sich für ihren Landesverband im Wahlkampf massiv eingesetzt hatte. Auch die Linke konnte mit 18,4 ihr schwaches Ergebnis von 2006 nur wenig verbessern (+1,6). Die noch nie im Schweriner Landtag vertretenen Grünen sprangen auf 8,4 Prozent (+5). Die FDP stürzte auf 2,7 Prozent ab (-6,9).

Die NPD erreichte 6,0 Prozent (-1,3). Im östlichen Wahlbezirk Uecker-Randow I erhielt sie sogar mehr als 15 Prozent. Ihr Verbleib im Landtag ist ein wichtiger Erfolg für die klammen Rechtsextremisten, weil sie damit weiter Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung kassieren. Außer im Nordosten sitzen sie noch in Sachsen im Parlament.

Die Sitzverteilung im Schweriner Landtag sieht wie folgt aus: SPD 28 Abgeordnete (bisher 22, nach Fraktionsaustritt eines Abgeordneten), CDU 18 (22), Linke 14 (13), Grüne 6 (0) und NPD 5 (6). Die Wahlbeteiligung lag bei 51,4 Prozent - ein Negativ-Rekord im Nordosten (2006: 59,1). Stimmberechtigt waren 1,4 Millionen Bürger.

Ein vorläufiges amtliches Endergebnis gibt es erst in zwei Wochen: Weil ein CDU-Direktkandidat gestorben ist, wurde die Wahl im Westen Rügens verschoben. ARD-Wahlforscher rechnen nicht mit nennenswerten Auswirkungen.

Ausschlaggebend für den Sieg der SPD war nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen die große Beliebtheit von Ministerpräsident Sellering. Der gebürtige Westfale hatte das Amt Mitte der Legislaturperiode (2008) von Harald Ringstorff übernommen. Eine Mehrheit würde der Wahlanalyse zufolge die Fortsetzung von Rot-Schwarz einer Neuauflage der bundesweit ersten rot-roten Koalition (1998-2006) vorziehen (47 zu 34 Prozent).

An den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat wird sich praktisch nichts ändern. Bei Rot-Schwarz bliebe das Land im Block der „neutralen“ Länder, und auch bei Rot-Rot würde es für eine gestaltende Mehrheit des „linken“ Lagers nicht reichen. Letzteres könnte aber anders sein, wenn Berlin in zwei Wochen im „linken“ Lager bleibt und bei der Schleswig-Holstein-Wahl im kommenden Mai die schwarz-gelbe Regierung kippt: Die SPD im Bund könnte deshalb ein Interesse an einem rot-roten Bündnis in Schwerin haben.

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