Ärger um Betriebsrenten Sparer fühlen sich betrogen: Protest gegen „Abzocke“ bei Altersvorsorge

Düsseldorf · Betriebsrentner und Direktversicherte müssen doppelt Sozialbeiträge zahlen. Die Politik verspricht Hilfe, liefert aber nicht.

 Symbolbild.

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Foto: dpa-tmn/Karolin Krämer

Millionen Betriebsrentner und Direktversicherte fühlen sich von der Politik verschaukelt. Sie haben, meist als junge Arbeitnehmer, eine betriebliche Altersvorsorge abgeschlossen und erwarten, dass das eingezahlte Kapital plus Zinsen im Alter voll zur Verfügung steht. Doch kurz vor der Auszahlung meldet sich die Krankenkasse und teilt mit, dass knapp 19 Prozent der Summe als Beiträge an die Kranken- und Pflegeversicherung abzuführen sind.

„Für viele ist das ein Schock“, sagt Gerhard Kieseheuer im Gespräch mit dieser Zeitung. Er ist Vorsitzender des Vereins der Direktversicherungsgeschädigten (DVG). Rund 3000 Mitglieder hat der Verein. Am 26. Oktober wollen die Betroffenen überall im Land auf die Straße gehen und protestieren. „Erst angelockt, dann abgezockt“ wird auf den Plakaten stehen.

Betroffen sind auch Rentner, die aus dem Nettolohn gespart haben

Die Ursache des Problems liegt knapp 20 Jahre zurück. Um die Finanzen der damals hoch defizitären gesetzlichen Krankenkassen zu sanieren, griff die rot-grüne Bundesregierung mit Zustimmung der Union den Betriebsrentnern in die Tasche. Sie müssen seit 2004 in der Auszahlungsphase nicht mehr nur den Arbeitnehmerbeitrag an die Sozialkassen zahlen, sondern auch den Beitrag, den im Berufsleben vom Arbeitgeber kommt. Macht zusammen mit dem Pflegebeitrag knapp 19 Prozent.

Die Gesetzesänderung galt rückwirkend, und zwar auch für jene Beschäftigten, die gar keine Betriebsrente, sondern eine Direktversicherung abgeschlossen hatten. Diese Form der privaten Altersvorsorge war bis 2004 in der Auszahlungsphase vollkommen beitragsfrei. Weil Direktversicherungen aber über den Arbeitgeber laufen, konnte die Politik sie zur Betriebsrente erklären.

Dieser Punkt regt Kieseheuer besonders auf. „Betroffen sind auch Verträge, die zwischen 1974 und 2004 abgeschlossen wurden. In diese Direktversicherungen haben die Arbeitnehmer aus ihrem Nettolohn eingezahlt. Jetzt findet eine Mehrfachverbeitragung statt“, sagt der DVG-Vorsitzende. „Der Bestandsschutz wurde nicht gewährt, der Verbraucherschutz ausgehebelt.“ Kieseheuer schätzt, dass es bundesweit 15 Millionen Betroffene gibt, darunter gut sechs Millionen Direktversicherte.

Dass die geltende Regelung als ungerecht empfunden wird, weiß auch die Politik. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, um die Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten ab 2020 zu halbieren. Folge: Die Kassen würden pro Jahr drei Milliarden Euro verlieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fand das zu kostspielig und legte ihr Veto ein. Noch kämpft Spahn für sein Gesetz. Auf Nachfrage heißt es aus seinem Ministerium, dass die Diskussion über die geplante Entlastung noch nicht abgeschlossen sei.

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