Union : Seehofer keilt gegen Merkel — dennoch gelingt CDU und CSU die Einigung im Asylstreit
Jeder in Berlin glaubte, dass Horst Seehofer seinen Hut nehmen müsse. Doch es kommt plötzlich ganz anders. Wie geht es in der Union jetzt weiter?
Berlin. „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, lässt Horst Seehofer am Montag via „Süddeutsche Zeitung“ verbreiten. Kurz vor der entscheidenden Krisensitzung mit Angela Merkel. Rumms, ein heftiger Schlag in die Magengrube, eine Abrechnung sondergleichen, die auch im Haifischbecken Politik nicht alle Tage vorkommt. Danach glaubt jeder in Berlin: Seehofer wird seinen Hut nehmen müssen. Doch es kommt anders.
In der CDU schlagen sie die Hände über dem Kopf zusammen, in der Parteizentrale ist man entsetzt, als eine halbe Stunde verspätet die Verhandlungsdelegation der CSU eintrudelt. Hatten Merkels Getreue doch vorher bewusst die Einigkeit von CDU und CSU beschworen und versucht, die Wogen im eskalierten Schwesternstreit etwas zu glätten. Auch Ministerpräsident Markus Söder, bisher einer der größten Scharfmacher, hatte aus dem fernen Passau Friedenssignale gesendet: „Die Stabilität der Regierung steht für uns außer Frage“. Doch mit Seehofers Interview-Satz scheint zunächst alles dahin. Die Ebene des Persönlichen ist endgültig erreicht. Seehofer hingegen tut bei seiner Ankunft am Konrad-Adenauer-Haus so, als sei nichts geschehen. „Ich hoffe, dass es noch hell ist, wenn ich wiederkomme“, grinst er die Journalisten an. Er wirkt seltsam entspannt.
Der Stachel muss tief sitzen beim CSU-Chef; manch einer vermutet, dass ihn auch die schwindende Rückendeckung in den eigenen Reihen zunehmend wütend gemacht hat. Am Rande der Fraktionssitzung der Union wird erzählt, dass über ein Drittel der Teilnehmer der CSU-Vorstandssitzung am Sonntagabend in München pro Merkel argumentiert hätten. Aus der Landesgruppe ist zudem zu hören, dass es erheblichen Unmut über Seehofer gibt, weil er die Kritiker des Konfrontationskurses regelrecht abgekanzelt habe.
Noch etwas kommt hinzu: Zum Treffen mit der CDU-Spitze in Berlin nimmt er ausschließlich Unterstützer seiner harten Position mit, darunter sogar den Polit-Rentner und Ex-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Das sorgt zusätzlich für Ärger im eigenen Lager. So, wie bei Entwicklungshilfeminister Gerd Müller. Er sagt, Seehofers Amt werde schlichtweg nachbesetzt, falls Merkel ihn entlasse. „Die Fraktion der Union kann niemand in Frage stellen.“ Müller betont aber auch vorausahnend: „ Die CSU bleibt in der Regierung. Alles andere stellt uns ins Abseits.“ So kommt es auch. Am späten Abend finden CDU und CSU tatsächlich eine Lösung im eskalierten Asylstreit. Und Seehofer verkündet das, womit keiner mehr gerechnet hat - „ich bleibe Innenminister“.
Es ist der Höhepunkt eines Tages, der für die Union ohnehin ein Wechselbad der Gefühle ist. Von Anfang an wird versucht zu retten, was noch zu retten ist. So mahnt dem Vernehmen nach Wolfgang Schäuble in der morgendlichen Vorstandssitzung der CDU, man stehe am Abgrund, eine Einigung der Schwesterparteien im Streit um die Zurückweisung von Flüchtlingen müsse dringend her. Der Bundestagspräsident wird sogar als Vermittler tätig - bei ihm im Präsidialbüro im Reichstagsgebäude kommen Merkel und Innenminister Seehofer noch einmal zusammen. Der Gesprächsverlauf bleibt geheim.