Schwarz und Grün schließen in Hessen eine Vernunftehe

Die Grünen erhalten zwei Ressorts. Der neue Verkehrsminister Al-Wazir soll Druck auf den Flughafen ausüben.

Wiesbaden. Hessen wagt wieder ein politisches Experiment: Erstmals soll ein bundesdeutsches Flächenland von CDU und Grünen gemeinsam regiert werden. Genau an seinem heutigen 62. Geburtstag will CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier die Grundlage des ungewöhnlichen Bündnisses, den Koalitionsvertrag, vorstellen.

Vorangegangen war eine letzte Nachtschicht mit dem Grünen-Vorsitzenden Tarek Al-Wazir und den anderen Unterhändlern im Taunus-Kurort Schlangenbad. Gestern Morgen kurz nach drei Uhr wurde der Entwurf per Handschlag besiegelt.

Dabei waren die Christdemokraten und die Ökopartei bis zur Landtagswahl am 22. September noch erbitterte Widersacher, getrennt durch einen tiefen kulturellen Graben. Es folgte eine vorsichtige Phase der Sondierung, auch über Verletzungen der Vergangenheit wurde gesprochen.

In drei Wochen schließlich handelten die Parteien geräuschlos ihren Vertrag aus. Wenn die Berichterstatter Peter Beuth und Kai Klose jeweils die Einigungen erläuterten, strahlten sie nicht Begeisterung für ein schwarz-grünes Projekt aus. Es ging um nüchterne Sachkompromisse, um gemeinsamen Willen zum Erfolg.

Legenden über die Nähe von „Bewahrung der Schöpfung“ (CDU) zu „Nachhaltigkeit“ (Grüne) wurden eher im Umfeld gestrickt. Protagonisten des ersten rot-grünen Bündnisses in Hessen vor einem Vierteljahrhundert entdeckten, dass man der Union doch schon immer näher gestanden habe.

Wurde der Vertrag mehr mit schwarzer oder mit grüner Tinte geschrieben? Die Grünen mussten hinnehmen, dass die Union an einigen Stellen weitermacht wie bisher, so beim Kinderförderungsgesetz.

Neu und damit eher grün ist der Nachdruck auf Soziales und Integration. In der Schulpolitik waren sich die Parteien schon vorher nah, die Nachmittagsbetreuung von Grundschülern ist ein gemeinsames Vorhaben. Die Kompromisse zum Lärmschutz am Frankfurter Flughafen hatten die Seiten schon während der Sondierung vorbereitet.

Allerdings ist der Zugriff des Landes hier begrenzt, die Regierung ist auf den guten Willen von Flugsicherheit, Flughafen und Airlines angewiesen.

Hier muss sich Al-Wazir beweisen, der im Ressort Wirtschaft und Verkehr als gesetzt gilt. Darüber hinaus bekommen die Grünen nur das Umweltministerium.

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BMS - Redakteur Stefan Vetter  in
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