Prozess in Schwalmstadt Ertrunken im Dorfteich: Trägt der Bürgermeister die Schuld?

Schwalmstadt · Ein Strafprozess vor einem hessischen Amtsgericht wird bundesweit aufmerksam verfolgt. Der Bürgermeister einer Kleinstadt ist wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.

 Gedenklichter an dem Löschteich in Neukirchen, in dem im Juni 2016 die drei Kinder starben.

Gedenklichter an dem Löschteich in Neukirchen, in dem im Juni 2016 die drei Kinder starben.

Foto: dpa/Uwe Zucchi

Ein Strafprozess am Amtsgericht Schwalmstadt (Hessen) sorgt bei Kommunalverwaltungen bundesweit für Aufmerksamkeit. Die Frage: Besteht für Beamte der städtischen Verwaltung bis hin zum Bürgermeister oder Oberbürgermeister das Risiko, dass sie sich nach Badeunfällen im schlimmsten Fall wegen fahrlässiger Tötung verantworten müssen?

Seit Anfang Januar muss sich der Bürgermeister der Kleinstadt Neukirchen wegen fahrlässiger Tötung dreier Kinder verantworten. Die Geschwister (fünf bis neun Jahre) ertranken im Juni 2016 in einem Dorfteich. Die Anklage wirft dem Bürgermeister vor, den Teich nicht gesichert zu haben. Die Stadt als Eigentümerin des als Feuerlöschteich genutzten Gewässers habe es versäumt, den Teich mit einem Zaun zu sichern. Der Teich stelle durch eine hohe Böschung und einen rutschigen Boden eine „hohe Gefahr“ dar.

Verschiedene Regeln, je nach Art des Teiches

Wichtig für den Ausgang des Prozesses dürfte sein, um was für eine Art von Teich es sich handelt. Der angeklagte Bürgermeister nannte das Gewässer zum Prozessauftakt einen Fischteich, oder „Freizeitteich“, der keines Zaunes bedürfe. Sein Verteidiger spricht von einem „Badeteich“. Für die Staatsanwaltschaft dagegen ist es ein „Löschwasserrückhalteteich“  – und für den hätten Sicherungspflichten bestanden, für die der Bürgermeister verantwortlich sei.

Haftungsrisiko, wenn Kommune den Badebetrieb fördert

Aber selbst wenn es kein solcher Löschwasserrückhalteteich war, könnte der Bürgermeister am Ende in die zivilrechtliche und auch strafrechtliche Haftung genommen werden. So sagt zwar die KSA (das Kürzel steht für „Kommunaler Schadensausgleich“), der Versicherer zahlreicher ostdeutscher Kommunen: Allein das Vorhandensein eines Sees begründet noch  keine Pflicht der Kommune zum Schutz von Personen, die dort schwimmen gehen. Anders sehe es aber aus, wenn eine Stadt zum Beispiel einen Badesteg oder eine Badeinsel baut. Hierdurch fördere sie den Badebetrieb und signalisiere, dass das Gewässer grundsätzlich zum Baden geeignet ist. So entstehe bei den Badegästen eine Sicherheitserwartung. Und dann gibt es auch entsprechende Haftungsrisiken für die Kommune.

In einer Begutachtung der Rechtslage durch den Versicherer KSA heißt es: „So besteht zum Beispiel die Gefahr, dass sich ein Kind bei Rangeleien am Badesteg verletzt. Aus Sicht der KSA spreche vieles dafür, dass hier eine Beaufsichtigung des Badebetriebes erforderlich ist. Ebenso, wenn zum Beispiel ein Sprungturm, eine Wasserrutsche, Duschen oder Umkleidekabinen vorhanden sind.

Sofern eine Kommune keine Aufsicht stellen könne, bleibe nur der Verzicht auf solche Vorrichtungen beziehungsweise deren Entfernung. Sitzbänke, Papierkörbe und Toilettenhäuschen seien jedoch unproblematisch, weil diese allein ja nicht zum Baden animieren. Durch ein Schild mit der Aufschrift „Baden auf eigene Gefahr“ könne sich eine Kommune ihrer haftungsrechtlichen Verantwortung nicht entziehen, betont die KSA. Sie bleibe verkehrssicherungspflichtig.

Auch sollten sich die Verantwortlichen einer Kommune bewusst sein, dass Badeunfälle regelmäßig strafrechtliche Ermittlungen nach sich ziehen. Die Ermittlungen könnten dabei jede Person innerhalb der Behördenhierarchie treffen: vom Hauptverwaltungsbeamten über die Ratsmitglieder bis hin zum Sachbearbeiter.  Laut Strafgesetzbuch liegt der Strafrahmen für fahrlässige Tötung bei einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe.

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