Kritik auch aus der CDU Schulz fordert Abzug von US-Botschafter Grenell aus Berlin

Berlin (dpa) - Der neue US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, muss sich an diesem Mittwoch im Auswärtigen Amt zu seiner Parteinahme für rechtskonservative Kräfte in Europa erklären.

Kritik auch aus der CDU: Schulz fordert Abzug von US-Botschafter Grenell aus Berlin
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Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte am Dienstag mit Blick auf das ohnehin geplante Treffen Grenells mit Staatssekretär Andreas Michaelis: „Es wird sicherlich einiges zu besprechen geben.“ Aus Sicht von Ex-SPD-Chef Martin Schulz sollten die USA Grenell abziehen. „Was dieser Mann macht, ist einmalig in der internationalen Diplomatie“, sagte der Außenpolitikexperte der Deutschen Presse-Agentur. Statt wie üblich dem Gastland gegenüber neutral zu sein, agiere er wie ein rechter Politaktivist. Die Spitzen der Koalitionspartner nahmen Grenells Äußerungen mit Unbehagen, aber relativ zurückhaltend auf. In den USA rügten Demokraten Grenell.

Erst hatte der Botschafter zur Stärkung Donald-Trump-freundlicher konservativer Kräfte in Europa aufgerufen, dann sorgte eine Einladung an den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz - einen Kritiker der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) - für Irritationen: Grenell richtet am 13. Juni ein Essen für ihn aus. Schulz sagte: „Ich hoffe, dass der Kurz-Besuch zu einem Kurz-Aufenthalt von Herrn Grenell in seiner Funktion als Botschafter in Deutschland führt.“ Er nannte Grenells Agieren einen „ungeheuerlichen Vorgang“.

Grenell erklärte via Twitter, dass er nicht zur Unterstützung bestimmter Parteien oder Personen aufrufe. Er betonte aber: „Ich stehe zu meinen Kommentaren, dass wir ein Erwachen von der schweigenden Mehrheit erleben - die die Eliten und ihre Blase ablehnt. Geführt von Trump“.

Der Botschafter hatte den Politaufsteiger Kurz (31), dessen Österreichische Volkspartei (ÖVP) mit der rechtspopulistischen FPÖ regiert, einen „Rockstar“ der europäischen Politik genannt. Es ist unüblich, dass ein Botschafter einen Regierungschef bei einem Besuch im Gastland einlädt. Grenell hatte zuvor auch schon den Merkel-Kritiker Jens Spahn getroffen.

Maas sagte: „Ich habe diese Äußerungen natürlich zur Kenntnis genommen und auch die Kritik, die es dazu gegeben hat.“ Der Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit, Peter Beyer, der Grenell am Mittwoch ebenfalls trifft, sprach davon, dass dieser sich „in unsere inneren Angelegenheiten einmischt“. In der „Rheinischen Post“ (Mittwoch) riet er: „Er sollte ein offenes Ohr dafür haben, wie holprig wir seinen Start als Botschafter sehen.“ Schulz schimpfte: „Wenn der deutsche Botschafter in Washington sagen würde, ich bin hier, um die Demokraten zu stärken, dann würde er sofort rausgeschmissen“.

SPD-Chefin Andrea Nahles befand, dass Diplomatie eine hohe Kunst sei, und fügte hinzu: „Er sucht offensichtlich noch seine Rolle.“ CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, man müsse über die Art der Amtsführung reden. Unionsfraktionschef Volker Kauder will sich nach eigenen Worten nicht zu jeder Äußerung eines Botschafters äußern. So wie Grenell und Trump gestrickt seien, dürfe man aber noch mehr solche Äußerungen erwarten. „Man muss es so nehmen, wie es ist.“

Grenell ist seit einem Monat US-Botschafter in Berlin und gilt als enger Vertrauter Trumps. Der US-Präsident hatte sich lobend zum Brexit geäußert und im französischen Wahlkampf Partei ergriffen für Marine Le Pen und ihre rechte Bewegung Front National (inzwischen umbenannt: „Rassemblement National“). Statt mit den westlichen Partnern zusammenzuarbeiten, gibt es zunehmende Konfrontationen, das Verhältnis von Trump und Merkel gilt als schwierig.

Grenells Äußerungen stoßen auch in seinem Heimatland auf Kritik. „Wenn Botschafter Grenell nicht bereit ist, auf politische Erklärungen zu verzichten, sollte er unverzüglich abberufen werden“, twitterte die demokratische Senatorin Jeanne Shaheen. Botschafter sollten sich nicht in die lokale oder regionale Politik einmischen.

Linksfraktionschefin Sarah Wagenknecht forderte Grenells Ausweisung. „Wer wie US-Botschafter Richard Grenell meint, nach Gutsherrenart bestimmen zu können, wer in Europa regiert, der kann nicht länger als Diplomat in Deutschland bleiben“, sagte sie der „Welt“.

Gemäß dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen gibt es keinen „Knigge“, wie man sich als Diplomat im Gastland zu verhalten hat, aber eine so offene Einmischung und Einladung ausländischer Regierungschefs ist ungewöhnlich. Zuvor hatte Grenell schon deutsche Unternehmen gewarnt, weiter im Iran zu investieren.

Ein österreichischer Regierungssprecher versuchte, die Aufregung um Grenells Treffen mit Kurz während dessen Besuch in Berlin zu dämpfen. „Es gilt insbesondere in Zeiten wie diesen mit den engsten Vertrauten des US-Präsidenten Kontakt zu halten, vor allem zu Fragen wie der Handelspolitik und der transatlantischen Beziehungen.“ Kurz treffe auch weitere Persönlichkeiten, etwa Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und den Industriebeirat des CDU-Wirtschaftsrates.

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