Damals bei der SPD ... Schröder und Trittin erinnern an versunkene Zeiten

Berlin · Altkanzler Gerhard Schröder und Ex-Umweltminister Jürgen Trittin diskutieren über die frühere rot-grüne Regierung und den Zustand der SPD.

 Diskussion unter Ex-Koalitionspartnern: Für Altkanzler Gerhard Schröder (SPD, l.) waren die Grünen um Jürgen Trittin der „Kellner“ in der gemeinsamen Regierung, und die SPD der „Koch“. Diese Zeiten sind vorbei.

Diskussion unter Ex-Koalitionspartnern: Für Altkanzler Gerhard Schröder (SPD, l.) waren die Grünen um Jürgen Trittin der „Kellner“ in der gemeinsamen Regierung, und die SPD der „Koch“. Diese Zeiten sind vorbei.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Walter Riester und Hans Eichel sind gekommen. Genauso wie Heidemarie Wieczorek-Zeul, Ulla Schmidt und Edelgard Bulmahn. Die ehemaligen Bundesminister sitzen vorn im proppenvollen Saal der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Der eigentliche Stargast bei der Podiumsdiskussion „Das rot-grüne Projekt“ aber ist Gerhard Schröder. Der Altkanzler, inzwischen 74, wirkt tiefenentspannt. Er hat seine neue Ehefrau Kim mitgebracht. Beide sitzen in der ersten Reihe neben Andrea Nahles. Die Szene mutet wie ein sozialdemokratisches Klassentreffen an. Wie das Gedenken an eine versunkene Zeit, als die SPD noch allen Stolz vor sich her trug – und Bundestagswahlen gewann.

Vor fast genau 20 Jahren kam Schröder ins Kanzleramt. Sagenhafte 40,9 Prozent fuhr die SPD im Herbst 1998 ein. Vom „rot-grünen Projekt“ war die Rede. Was ist davon geblieben? Darüber diskutiert Schröder zum Auftakt mit Jürgen Trittin, dem damaligen Bundesumweltminister, der an diesem Montagabend für die Grünen auf dem Podium sitzt. Beide haben sich in den gemeinsamen Regierungsjahren nichts geschenkt, aber jetzt sehen sie das recht locker. „Er hat einen ewig geärgert, aber er war verlässlich“, sagt Schröder über Trittin. Und er glaubt, dass die Grünen eigentlich nur „notgedrungen“ in Koalitionen gegangen seien, denn sie seien damals viel radikaler gewesen als jetzt. Worauf Trittin seinem Gegenüber süffisant vorhält, eigentlich eine große Koalition mit der Union gewollt zu haben.

Schröder stichelt: Tipps für sozialdemokratisches Regieren

Schröder hatte damals gesagt, in der gemeinsamen Regierung müsse klar sein, dass die Sozialdemokraten der Koch seien und die Grünen der Kellner. Diese Rollenverteilung schmeckt Trittin auch heute noch nicht: „Kochen konnten wir, servieren auch“, meinte er. Tatsächlich kamen die Grünen damals aber nur auf 6,7 Prozent. Da mochte das Bild vom SPD-Koch stimmig gewesen sein. Inzwischen habe sich das aber völlig geändert, räumt der Altkanzler ein. Und dann gibt er noch ein paar Tipps für gutes sozialdemokratisches Regieren. Man habe „nicht grüner“ sein wollen als die Grünen und stattdessen mit der Union um die Wirtschaftskompetenz konkurriert. Das war „ein Erfolgsrezept“. Außerdem dürfe man sich die Agenda 2010 nicht „wie Bleigewichte“ an die eigenen Füße hängen. Das sei „ein zentraler Fehler“. Überhaupt müsse man den Willen zur Macht haben. Da sehe er doch „gewisse Defizite“ im Vergleich zu heute, stichelt Schröder.

Nahles, die aktuelle SPD-Chefin, quittiert es mit süß-saurer Miene. Aber auch sie kommt in der anschließenden Diskussion über Rot-Grün ins Schwärmen. „So was würde ich noch mal gern erleben.“ Die Vorsitzende hadert ebenfalls mit ihrer Partei. Dort gebe es schon eine „komische Neigung, nach hinten zu gucken“, sagt Nahles. Aber was wird nun zum Beispiel aus Hartz IV? „Das, was in die Zeit passt“, sagt Nahles knapp. Viel konkreter wird sie nicht.

Rechnerische Mehrheit längst abhandengekommen

Wie zum Trost bleiben aber immer noch „große Schnittmengen“ zwischen Rot und Grün. Darauf verweist die grüne Co-Chefin Annalena Baerbock. Beim Thema Kinderarmut und Kindergrundsicherung käme man schnell unter einen Hut, sagt sie. Auch friedens- und europapolitisch sei man nah beieinander. SPD und Grüne seien „die beiden europäischsten Parteien“, wirft Nahles ein. Dumm nur, dass eine rechnerische Mehrheit für Rot-Grün längst abhandengekommen ist. Auch der aktuelle Höhenflug der vormals Radikalen macht nicht annähernd wett, was die SPD in der Wählergunst verloren hat.

Einer der gut 650 Zuhörer glaubt ein Patentrezept für den sozialdemokratischen Wiederaufschwung zu haben: Schröder brauche bloß an die Parteispitze zurückzukehren. Der grinst geschmeichelt und winkt dann ab: „Also ich kann das kurz beantworten: Ich finde keinen Ortsverein der SPD, der mich vorschlägt.“

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