Röttgen zum Solidarpakt: Finanznot im Westen nicht gegen neue Länder ausspielen

Aufschrei der Oberbürgermeister der hoch verschuldeten Städte im Ruhrgebiet: Sie wollen kein Geld mehr an den Osten abdrücken. Dortmunds OB bezeichnet den Solidarpakt Ost gar als „perverses System“.

Düsseldorf (dpa). In der neu entflammten Debatte um den Solidarpakt Ost hat der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Norbert Röttgen Fairness angemahnt. „Ich glaube, dass es falsch ist, die dramatische Finanzsituation von Städten, Gemeinden und Kreisen in Nordrhein-Westfalen auszuspielen gegen die neuen Bundesländer“, sagte Röttgen am Dienstag in Düsseldorf.

„Das ist auch 20 Jahre nach der Einheit kein Stil, der den Westen - und Nordrhein-Westfalen als größtes Industrieland - auszeichnen sollte.“ Der CDU-Bundesvize reagierte damit auf die Ankündigung von Oberbürgermeistern des Reviers, den Landtagswahlkampf für ihre Forderungen zu nutzen.

„Der Solidarpakt Ost ist ein perverses System, das keinerlei inhaltliche Rechtfertigung mehr hat“, sagte der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag). Es sei nicht zu vermitteln, dass die Ruhrgebietsstädte Kredite aufnehmen müssten, um ihren Anteil am Solidarpakt aufbringen zu können. Der Osten sei mittlerweile gut aufgestellt. Entscheidend für die Hilfen dürfe nicht die Himmelsrichtung sein, sondern die finanzielle Lage der Kommunen, forderte der Essener Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD).

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) wies die Forderungen als „Zeugnis beschämender Oberflächlichkeit und mangelnden Verständnisses innerdeutscher Solidarität“ zurück. Er räumte allerdings ein, dass die Städte des Ruhrgebiets ebenfalls einen außerordentlichen Finanzbedarf hätten, und schlug einen „Ruhrsoli“ vor. „Es muss hier eine Form der vorübergehenden, aber institutionalisierten Solidarität etwa durch einen "Ruhrsoli" angestrebt werden“, sagte der SPD-Politiker.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) äußerte ein „gewisses Verständnis“ für die Forderungen. Der Grünen-Politiker machte den Oberbürgermeistern im Revier aber keine Hoffnung: „Ich sehe nicht, dass dieser Solidarpakt vorher geändert wird“, sagte Kretschmann in Stuttgart.

Auch Röttgen warnte vor unrealistischen Erwartungen. „Der Pakt ist geschlossen.“ Es gebe keine rechtliche Möglichkeit, die noch bis 2019 gültige Einigung zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern aufzukündigen. „Wenn man das für falsch hält, hätte man das damals erkennen müssen.“

Auch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) habe damals für den Pakt die Hand gehoben, sagte Röttgen. Nun könne sie nicht sagen, andere Länder bekämen zu viel. „So kann man nicht miteinander umgehen.“ Röttgen warf der rot-grünen Landesregierung vor, ihre Pflichten zu vernachlässigen. „Die strukturellen Probleme, die Unterfinanzierung der Kommunen, müssen gelöst werden, wo sie entstanden sind - in Nordrhein-Westfalen. Röttgen kündigte an, er wolle sich vorrangig um die Not der Kommunen kümmern.

„Das kann nicht so bleiben“, unterstrich er. „Die Kommunen sind die unterste Ebene unserer Demokratie und wer die auszehrt, der beschädigt und gefährdet die Demokratie.“

Die nordrhein-westfälische FDP nimmt das Problem nach Worten ihres designierten Vorsitzenden Christian Lindner sehr ernst. Man könne „nicht dauerhaft nach Himmelsrichtung“ entscheiden, sondern die Bedürftigkeit müsse stärker in den Fokus rücken, sagte Lindner in Düsseldorf. „Es gibt keine leichten Lösungen für dieses Problem.“ Bis 2019 sei der Solidarpakt ja verhandelt. Nun müssten Bund und Länder gemeinsam über eine Lösung diskutieren.

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