Regierung will Antibiotika bei Tieren einschränken

Berlin (dpa) - Der Antibiotika-Einsatz in der Massentierhaltung in Deutschland soll angesichts drohender Gesundheitsrisiken für den Menschen deutlich eingedämmt werden.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) will dazu einen Gesetzentwurf vorlegen, der die umstrittene Anwendung in Mastbetrieben auf ein Minimum beschränken und Kontrollen verbessern soll. Über den Verzehr von Lebensmitteln können auch Menschen zu viele Antibiotika einnehmen. Das kann dazu führen, dass die Arznei bei Krankheiten nicht mehr wirkt. Hähnchenfleisch aus dem Supermarkt ist laut einer Stichprobe des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) vielfach mit solchen Antibiotika-resistenten Keimen belastet.

Der Antibiotika-Einsatz in Ställen solle „auf das zur Behandlung von Tierkrankheiten absolut notwendige Mindestmaß“ beschränkt werden, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin. Zudem sollten die Befugnisse der zuständigen Überwachungsbehörden der Länder deutlich ausgeweitet werden. Dies berichtete auch das „Hamburger Abendblatt“ (Montag). Aigner will in dieser Woche einen Entwurf zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vorlegen. Eckpunkte sehen unter anderem vor, dass Tierärzte nicht mehr von Vorgaben der Packungsbeilage bei der Anwendung abweichen dürfen. Der Antibiotika-Einsätze soll in einer längeren Zeitspanne vor der Schlachtung dokumentiert werden müssen.

Erlaubt sind Antibiotika schon bisher nur zur Behandlung kranker Tiere. Die Länderbehörden sollten Kontrollmöglichkeiten aber auch ausnutzen, sagte ein Ministeriumssprecher. „Wenn Antibiotika zum Beispiel illegal zur Wachstumsförderung eingesetzt werden, ist das kein Kavaliersdelikt und muss geahndet werden.“ Eine Studie des Verbraucherministeriums in Nordrhein-Westfalen hatte aber ergeben, dass 96 Prozent der Hähnchenmastbestände damit behandelt werden.

In deutschen Supermärkten wurden nun in einer Stichprobe bei 11 von 20 untersuchten Hähnchenprodukten Antibiotika-resistente Erreger entdeckt, wie der BUND mitteilte. Analysiert wurde für die nicht- repräsentative Untersuchung Frischfleisch aus Geschäften in Berlin, Hamburg, Köln, Nürnberg und der Region Stuttgart. In zehn Proben wurde ein Enzym gefunden, das Antibiotika wie Penizillin unwirksam machen kann. Zweimal wurden Bakterien entdeckt, die gegen wichtige Antibiotika unempfindlich sind. Ein Produkt enthielt beide Stoffe.

„Die Hähnchenmast produziert Risiken, die bei den Verbrauchern landen“, kritisierte BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning. Die Organisation forderte eine Halbierung des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung bis 2015. Der Handel solle belastete Produkte aus den Sortimenten nehmen und auch seine Lieferanten darauf hinweisen. Insgesamt sei eine Abkehr von der industriellen Tierhaltung notwendig, forderte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Die Grünen im Bundestag schlugen vor, Antibiotika sollten teurer gemacht werden. Für die Abnahme großer Mengen dürfe es keine Rabatte mehr geben. Behandelt werden sollten damit auch nur einzelne Tiere, nicht aber komplette Bestände, sagte die Fraktionsvize Bärbel Höhn. Die FDP-Agrarpolitikerin Christel Happach-Kasan sagte, Antibiotika- Einsatz dürfe schlechtes Management bei der Tierhaltung nicht überdecken. Die SPD nannte Aigners Ankündigungen überfällig.

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