Protest gegen Zwangsabschiebungen afghanischer Flüchtlinge

Erstmals sollen abgelehnte Asylbewerber in einer Sammelabschiebung nach Afghanistan zurückgeflogen werden. Kritiker nennen das verantwortungslos und demonstrieren am Flughafen Frankfurt. Eine Chartermaschine startet dann am Abend Richtung Osten.

Eine Teilnehmerin einer Demonstration gegen eine geplante Abschiebung hält am 14.12.2016 am Flughafen in Frankfurt am Main. Laut Informationen von Pro Asyl und Medienberichten sollte am Mittwochabend ein erster Charterflug mit 50 Afghanen von Frankfurt nach Kabul starten.

Eine Teilnehmerin einer Demonstration gegen eine geplante Abschiebung hält am 14.12.2016 am Flughafen in Frankfurt am Main. Laut Informationen von Pro Asyl und Medienberichten sollte am Mittwochabend ein erster Charterflug mit 50 Afghanen von Frankfurt nach Kabul starten.

Foto: Susann Prautsch

Frankfurt/Main/Berlin (dpa) - Mehrere Hundert Demonstranten haben am Frankfurter Flughafen gegen die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan in ihre Heimat protestiert. Kritik kam auch von der Opposition und Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von einem „unbarmherzigen Spiel“ von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Die Ärzteorganisation IPPNW hält die Maßnahme für unvereinbar mit der Achtung der Menschenrechte.

Abschiebungen nach Afghanistan sind umstritten, weil es in weiten Teilen des Landes Kämpfe zwischen Regierungstruppen und radikalislamischen Talibanrebellen gibt und immer wieder zu Anschlägen kommt. CSU-Chef Horst Seehofer hingegen begrüßte die Maßnahme. „Und ich hoffe, dass es keine einmalige Aktion ist“, sagte er in der ARD-Sondersendung „Farbe bekennen“, die am Mittwochnachmittag aufgezeichnet wurde.

Radikale Kräfte in Deutschland hätten nur dann keinen Erfolg, wenn abgelehnte Asylbewerber auch in ihre Länder zurückkehren müssen, sagte der bayerische Ministerpräsident. Die Afghanen würden in gesicherte Regionen ihres Heimatlandes zurückgebracht. Deutsche Soldaten gewährleisteten in Afghanistan die Sicherheit der Bevölkerung. In diese Regionen nicht abzuschieben - „das versteht doch kein Mensch“.

Am Abend startete dann von Frankfurt aus eine Chartermaschine der Fluggesellschaft Meridian, in das zuvor Polizisten eingestiegen waren. Laut Flightradar24, einem Online-Dienst zur Beobachtung von Flugbewegungen in Echtzeit, flog die Maschine vom Typ Boeing 767 mit der Flugnummer IG 2080 von Frankfurt aus Richtung Osten. Eine offizielle Bestätigung der Abschiebung gab es zunächst nicht.

Laut Informationen von Pro Asyl und Medienberichten sollte ein Charterflug mit 50 Afghanen Richtung Kabul starten. Die Bundespolizei und der Flughafenbetreiber Fraport wollten sich nicht zu einer möglichen Abschiebung äußern und verwiesen auf das Bundesinnenministerium. Dieses hatte bereits zuvor erklärt, solche Maßnahmen nicht zu kommentieren.

Das Bundesverfassungsgericht stoppte kurz vor dem Start der Chartermaschine die Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers nach Afghanistan. Dabei sei die Frage, ob angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan Abschiebungen derzeit verfassungsrechtlich vertretbar sind, ausdrücklich offen gelassen worden, teilte das Gericht am Mittwochabend in Karlsruhe mit. Die Entscheidung beruhe allein auf einer Folgenabwägung. Der 29-Jährige könne ohne weiteres zu einem späteren Termin abgeschoben werden, sein Asylverfahren könne er nach einer Abschiebung dagegen kaum noch fortführen. (Az. 2 BvR 2557/16)

Bei den Protesten am größten deutschen Flughafen trugen Demonstranten Schilder mit der Aufschrift: „Stopp - Keine Abschiebung nach Afghanistan“. In Sprechchören forderten sie: „Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord, Bleiberecht für alle, jetzt sofort!“. Nach der Kundgebung zogen die Demonstranten durch den Flughafen und forderten lautstark Bleiberecht für afghanische Flüchtlinge.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl appellierte an die Grünen in Landesregierungen, Sammelabschiebungen von nicht als Asylbewerber anerkannten Afghanen zu verhindern. „Wir wenden uns explizit an die Grünen in Hessen, Baden-Württemberg und Hamburg, alles zu tun, dass diese Menschen nicht abgeschoben werden“, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. „Einfach Menschen nach Kabul fliegen, ausladen und sie ihrem ungewissen Schicksal überlassen, ist verantwortungslos.“

Zunächst hatte der „Spiegel“ berichtet, dass am Mittwoch der erste Charterflug mit 50 Afghanen von Frankfurt nach Kabul starten sollte.

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