Prognose übertroffen: Fast 965 000 Flüchtlinge registriert

Berlin (dpa) - Die neue Asyl-Zwischenbilanz mit fast einer Million Flüchtlingen erhöht den Druck auf das Migrations-Bundesamt und seine Führung - aber auch auf Innenminister Thomas de Maizière (CDU).

Prognose übertroffen: Fast 965 000 Flüchtlinge registriert
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Der Ressortchef wies als oberster Dienstherr erneut Kritik an Arbeitstempo und Engagement der Behördenmitarbeiter zurück. Derweil schob SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi die Verantwortung für Probleme im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) direkt de Maizière zu. Der CSU-Vorsitzende Chef Horst Seehofer nahm die Nürnberger Behörde in Schutz - und verwies auf die Zuständigkeit Berlins: „Hier ist niemand anders gefordert als die Bundesregierung.“

Die offizielle Asyl-Prognose des Bundes für 2015 ist schon jetzt weit übertroffen: Von Jahresbeginn bis Ende November wurden in Deutschland fast 965 000 Flüchtlinge registriert - und damit bereits mehr als vom Bund bis Jahresende vorausgesagt (800 000). Mehr als die Hälfte der Schutzsuchenden (rund 484 000 Menschen) kamen aus Syrien, wie das Bundesinnenministerium am Montag in Berlin mitteilte. Allein im November wurden bundesweit gut 206 000 Flüchtlinge gezählt. Jedoch sind bei diesen Zahlen Doppel-Erfassungen laut Innenressort nicht auszuschließen. De Maizière sagte, in den vergangenen ein bis zwei Wochen sei eine deutliche Reduzierung zu erkennen gewesen. „Das ist noch keine Trendwende, aber das ist eine gute Entwicklung.“

Wegen des großen Andrangs müssen viele Flüchtlinge einige Zeit warten, bis sie einen Asylantrag stellen können. Die Antragszahlen liegen daher deutlich unter den Registrierungszahlen: Im November wurden insgesamt 57 816 Asylanträge gestellt, von Anfang Januar bis Ende November waren es 425 035. Weiter gewachsen ist die Zahl der unerledigten Asylanträge - auf 355 914.

Schon jetzt werde in Schlüsselbereichen des BAMF im Schichtbetrieb gearbeitet, sagte der Innenministeriums-Sprecher am Montag. Es sei aber nicht vernünftig, die Mitarbeiter im großen Stil in Nacht- und Wochenenddienste zu drängen und so zu „verbrennen“. Schließlich werde sich die Lage nicht innerhalb weniger Tage oder Wochen ändern, und die Beschäftigten würden auch in einigen Monaten noch gebraucht. Führende SPD-Politiker aus den Ländern hatten Ende voriger Woche gefordert, die BAMF-Mitarbeiter müssten dringend auch am Wochenende arbeiten, um den großen Berg an unerledigten Asylanträgen abzutragen.

„Schwarzer-Peter-Spiele auf dem Rücken von (...) Mitarbeitern - welcher Ebene auch immer - halte ich für unangemessen“, sagte de Maizière. Sein Sprecher betonte, beim BAMF habe sich in den vergangenen Monaten unter dem neuen Behördenleiter Frank-Jürgen Weise viel getan. Die Durchschnittsdauer der Asylverfahren habe sich auf 5,2 Monate verkürzt. Mittlerweile gebe es etwa 1600 Entscheidungen pro Tag. Eine größere Zahl an Einstellungen folge in den nächsten Wochen. Zudem seien dort 600 Kräfte aus anderen Behörden im Einsatz.

SPD-Generalsekretärin Fahimi sagte, für mangelnde politische Entscheidungen sei neben de Maizière auch der Flüchtlingskoordinator im Kanzleramt, Peter Altmaier (CDU), verantwortlich. Seehofer sagte vor einer CSU-Vorstandssitzung, Bayern dränge seit Jahren darauf, dass das BAMF mit ausreichend Personal ausgestattet werde. „Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass dieses Amt funktionsfähig wird.“ Es sei „eine sehr, sehr trübe Angelegenheit“, wenn es 350 000 unbearbeitete Asylanträge gebe und 500 000 Flüchtlinge noch keinen Antrag gestellt hätten.

Auch Seehofer nahm Weise in Schutz: „Der kann nichts dafür, dass über Jahre diese Behörde nicht richtig ausgestattet wurde.“ Wenn jemand die aktuellen Herausforderungen lösen könne, sei es Weise, betonte der Ministerpräsident. Die Regierung hatte sich schon am Wochenende vor die kritisierte Behörde und ihren Chef gestellt. „Frank-Jürgen Weise ist jetzt einige Wochen im Amt, und es hat sich in dieser Zeit unglaublich viel bewegt“, sagte Kanzleramtschef Altmaier. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) schloss sich der Kritik „ausdrücklich nicht“ an. „Es wird dort unter Hochdruck gearbeitet.“

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