Pro oder Contra?: Ist es ein Fehler, die AfD im Parlament auszugrenzen?

Wie soll mit der AfD im Bundestag umgegangen werden? Ausgrenzen oder in den politischen Alltag integrieren? Diese Frage haben sich die WZ-Redakteure Olaf Kupfer und Kristin Dowe gestellt und Antworten gefunden.

 Die Bundestagsabgeordneten der AfD bei der ersten Fraktionssitzung im Marie-Elisabeth Lüders-Haus des Deutschen Bundestages in Berlin.

Die Bundestagsabgeordneten der AfD bei der ersten Fraktionssitzung im Marie-Elisabeth Lüders-Haus des Deutschen Bundestages in Berlin.

Foto: Bernd von Jutrczenka

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Es ist sogar töricht, weil es nur die Hilflosigkeit im Umgang offenbart — und jene stärken wird, denen man eigentlich zuvor kommen wollte: den rechten Rand.

Von Olaf Kupfer [email protected]

„Ich schmeiß’ die raus“, hat der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz über die Begegnung eines möglichen Bundeskanzlers Schulz mit AfD-Politikern gesagt. Nun ist Schulz nicht Kanzler, wohl aber die AfD im Bundestag. Mit 93 Abgeordneten. Rechtspopulisten, sicher auch Nazis, aber: allesamt demokratisch gewählt. Und damit weder rauszuschmeißen, solange sie sich an Gesetz und demokratischen Gepflogenheiten halten. Und — bitte schön — auch nicht von anderen Abgeordneten über den Tisch zu ziehen. Es braucht keine plötzlich veränderten Geschäftsordnungen, wie das im Fall des Alterspräsidenten im Bundestag oder in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen schon vorgekommen ist.

Und: Ämter, die seit jeher im Konsens unter den Fraktionen aufgeteilt wurden, müssen jetzt auch an die AfD gehen. Denn die Feinde der Demokratie sollte man allein mit den Mitteln der Demokratie bekämpfen: mit Argumenten, mit deren Austausch, auch mit Überzeugungen. Nicht aber mit billigen Tricks, die Folge von Hinterzimmerpolitik sind und am Ende nur jenen helfen, denen man doch zuvor kommen wollte. Das wird das rechte Lager verfestigen, vielleicht auch vergrößern.

Für vier Jahre haben wir gewählt, was der Bundeswahlleiter am Ende verkündet hat: Jetzt ist die Suppe auszulöffeln. Und die AfD in den politisch-demokratischen Alltag zu integrieren, wo sie gerne jederzeit zu stellen ist: auf offener Bühne, inhaltlich und intelligent entlarvt.

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Von Kristin Dowe [email protected]

Mit 12,6 Prozent der Stimmen ist die AfD bei der Bundestagswahl drittstärkste Kraft geworden. Daran gibt es nichts zu deuteln. Doch nur weil eine Partei demokratisch gewählt ist, sind ihre Vertreter nicht automatisch Demokraten, wie AfD-Funktionäre mit rassistischen und verfassungsfeindlichen Äußerungen im Wahlkampf etliche Male unter Beweis gestellt haben. Mit dem AfD-Abgeordneten Albrecht Glaser erhebt nun ein Mann Anspruch auf das wichtige Amt des Bundestagsvizepräsidenten, der dem Islam per se unterstellt, keine Religionsfreiheit zu kennen. Und der deshalb auch keinen Anspruch auf dieses Grundrecht genieße.

Es ist fraglich, dass jemand, der mit solchen Aussagen zeigt, wes Geistes Kind er ist, einen seiner Parteikollegen energisch zur Räson rufen würde, wenn dieser mit rechten Stammtischparolen im Plenum aufwartet. Es ist eine persönliche Gewissensentscheidung jedes Abgeordneten, ob er jemandem wie Glaser mit seiner Stimme zu einer Mehrheit verhelfen will — zwingen kann man dazu niemanden, zumal die Parteien angehalten sind, mehrheitsfähige Kandidaten vorzuschlagen.

Schon einmal haben die Abgeordneten im Parlament einen designierten Kandidaten verhindert, als sie 2005 Lothar Bisky von der Linkspartei ihre Unterstützung versagten, so dass die Linke Petra Pau nominierte. Auch das ist Demokratie. Somit ist es legitim, einen Kandidaten mit verfassungsfeindliche Tendenzen mit demokratischen Mitteln auszuhebeln.

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