Präimplantationsdiagnostik: Das Ende eines emotionalen Streits

Gentests an Embryonen im Reagenzglas sind hoch umstritten. Jetzt wird die Präimplantationsdiagnostik begrenzt eingeführt.

Berlin. Hoch emotional ist der Streit um die Präimplantationsdiagnostik (PID) über Jahre geführt worden. Die Entscheidung am Freitag war — wie im Bundesrat üblich — sehr nüchtern.

Der Bundesratspräsident, Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (64), fragte: „Wer ist dafür, der Verordnung wie soeben festgelegt zuzustimmen?“ und stellte dann fest: „Dann ist es so beschlossen.“ Gesundheitsminister Daniel Bahr (36/FDP) kündigte an, Änderungswünsche der Länder an seiner Verordnung zu übernehmen — die PID kann somit kommen.

Es dürfte rund 200 Fälle im Jahr geben. Bei der PID handelt es sich um Gentests an Embryonen aus dem Reagenzglas. Paare sollen nach einer künstlichen Befruchtung zu der Methode greifen können, wenn ihre Gen-Anlagen eine Tot- oder Fehlgeburt oder schwere Krankheit des Kindes wahrscheinlich machen. Embryonen mit Schäden sollen der Mutter nicht eingepflanzt werden.

Ja. Als der Bundestag vor mehr als 20 Jahren das strenge Embryonenschutzgesetz beschloss, gab es die PID in Deutschland noch nicht. Politiker gingen aber davon aus, dass die Gentests an Embryonen durch das bestehende Gesetz verboten seien. Doch der Berliner Arzt Matthias Bloechle wandte die Methode an — und brachte mit einer Selbstanzeige Fahrt in die Debatte. Der Bundesgerichtshof entschied 2010, dass die PID zur Entdeckung schwerer Chromosomendefekte oder Erbkrankheiten keinen strafbaren Verstoß gegen geltendes Recht darstellt. Sie war also möglich.

Es gab Tränen der Rührung, als der Bundestag im Juli 2011 abschließend debattierte — so gefühlsgeladen waren die Bekenntnisse einzelner Redner rund um Kinderwunsch und Tod. Verfechter eines strikten Verbots warnten etwa vor einer Selektion menschlichen Lebens.

Die Befürworter verwiesen unter anderem darauf, dass Frauen sonst gezwungen würden, zur Abwendung einer Erbkrankheit gegebenenfalls abzutreiben. Am Ende hatten die Gegner klar verloren, denn die PID wurde im engen Rahmen zugelassen — auch wenn sie grundsätzlich verboten wurde.

Der Bundesrat beschloss, dass die Behörden die PID-Zentren in den Bundesländern erst genehmigen müssen und deren Zahl somit begrenzen dürfen. Nun muss die Infrastruktur mit Zentren und Kommissionen aufgebaut werden. In rund zwölf Monaten haben dann auch in Deutschland betroffene Paare eine Chance auf gesunde Kinder, heißt es im Ministerium.

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