Piratenpartei stellt sich neu auf

Neumünster (dpa) - Die Piratenpartei nimmt mit einer neuen Führung Kurs auf die Bundestagswahl 2013 und grenzt sich klar gegen Rechtsextremismus ab. Ihr zweitägiger Parteitag in Neumünster wählte Bernd Schlömer (41) zum neuen Vorsitzenden.

Der Regierungsdirektor im Verteidigungsministerium erklärte die generelle Bereitschaft der Partei, in Ländern wie im Bund in eine Regierung einzutreten. „Wenn man an Wahlen teilnimmt, dann verfolgt man grundsätzlich auch das Ziel, Verantwortung zu übernehmen“, sagte er am Sonntag.

Schlömer soll das Profil der Piratenpartei deutlicher sichtbar machen, als es sein Vorgänger Sebastian Nerz getan hat. Er kündigte die Ausarbeitung eines Wahlprogramms für die Bundestagswahl an. Bisher sind die Piraten in Berlin und im Saarland in den Parlamenten vertreten und sitzen dort in der Opposition. In Schleswig-Holstein am nächsten Sonntag und in Nordrhein-Westfalen eine Woche später gilt ihr Einzug in den Landtag als wahrscheinlich. Bei bundesweiten Umfragen kamen sie zuletzt auf neun Prozent.

Der bisherige Parteichef Nerz (28) wurde von den etwa 1500 Teilnehmern des Parteitags zum Stellvertreter gewählt. Als weiterer Vize wurde Markus Barenhoff aus Münster bestimmt. Neuer politischer Geschäftsführer wurde der 35-jährige Johannes Ponader aus Berlin. Der 35-Jährige tritt die Nachfolge von Marina Weisband an, die aus persönlichen Gründen nicht mehr antrat. Als eine von drei Beisitzern wurde die Berliner Politologin Julia Schramm (26) in den Vorstand gewählt.

Am ersten Tag wurde der Parteitag von der seit Wochen andauernden Rechtsextremismus-Debatte zeitweise überschattet. Nachdem ein Mitglied am Rande der Versammlung vor Journalisten gesagt hatte, man könne über den Holocaust diskutieren, wurde die Versammlung unterbrochen.

Ohne sichtbare Gegenstimme verabschiedeten die Teilnehmer dann eine Entschließung mit der Formulierung: „Der Holocaust ist unbestreitbarer Teil der Geschichte. Ihn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu leugnen oder zu relativieren, widerspricht den Grundsätzen der Partei.“

Zu rechtsextremen Äußerungen aus den eigenen Reihen sagte der neue Parteichef, er sei überzeugt, „dass man diese Probleme nur in den Griff bekommt, wenn man viel spricht“. Dabei sei ein sorgfältiges „Monitoring“, also eine frühzeitiges Erkennen, nötig.

Schlömer kündigte an, die Inhalte der Partei künftig besser sichtbar zu machen: „Wir müssen die Positionen der Piratenpartei in leichter und verständlicher Form den Bürgern nahebringen.“ Zum Thema Regierungsbeteiligung sagte Schlömer, es werde jeweils neu darüber zu befinden sein, inwieweit das möglich und sinnvoll sei.

Der stellvertretende Vorsitzende Nerz wandte sich vor Journalisten gegen die Einschätzung, dass mit den Erfolgen der Piratenpartei die Wahrscheinlichkeit einer großen Koalition steige. „Große Koalitionen sind nie ein gutes Zeichen“, sagte Nerz. „Sie neigen erfahrungsgemäß dazu, Bürgerrechte einzuschränken.“

In Beratungen über die Parteisatzung lehnte der Parteitag eine Verlängerung der Amtszeit im Bundesvorstand von einem auf zwei Jahre ab, vergrößerte das Gremium aber von bislang sieben auf neun Mitglieder. „Wir haben uns vorgenommen, die Struktur der Partei etwas zu professionalisieren, die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen“, sagte Nerz.

Die bisherige Geschäftsführerin Weisband rief ihre Partei zu einer verantwortungsvollen Politik auf. „Wir tragen eine riesige Verantwortung, weil wir wissen, dass sich die Gesellschaft grundlegend verändern wird“, rief sie den Teilnehmern zu. „Wir waren jung, und wir waren klein, aber wir haben schon Geschichte geschrieben“, sagte Weisband. „Jetzt werden wir ernst genommen, und es wird gegen uns geschossen.“

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