Parteitag: FDP stemmt sich gegen weitere Pleiten

arlsruhe (dpa) - Die FDP stemmt sich nach einer beispiellosen Serie von Misserfolgen mit aller Kraft gegen neue Niederlagen bei den zwei Landtagswahlen im Mai. FDP-Chef Philipp Rösler nutzte den Parteitag in Karlsruhe für einen Rundumschlag gegen die politische Konkurrenz.

Auch den Koalitionspartner CDU/CSU verschonte er nicht. Mit einem neuen Grundsatzprogramm will sich die FDP nun als einzig verbliebene „Partei der bürgerlichen Mitte“ profilieren. Rösler sagte: „Gerade, wo der Zeitgeist immer weiter nach links wandert, sind wir als FDP unverzichtbar.“

Trotz aller Appelle zur Geschlossenheit war die FDP-Krise aber auch am Wochenende in Karlsruhe zu spüren. Der Rösler-Vertraute Patrick Döring bekam bei der Wahl zum neuen Generalsekretär mit nur 72 Prozent einen Denkzettel. Fraktionschef Rainer Brüderle und der NRW-Spitzenkandidat Christian Lindner erhielten bei ihren Reden deutlich mehr Applaus als der Parteivorsitzende.

Nach den Umfragen muss die FDP am 6. Mai in Schleswig-Holstein und am 13. Mai in Nordrhein-Westfalen um den Wiedereinzug in die Landtage bangen. Seit der Bundestagswahl 2009 hat sie bei Wahlen fast nur noch verloren, flog in den vergangenen Monaten aus sechs Landtagen. In einer Emnid-Umfrage vom Sonntag lag sie bundesweit bei vier Prozent. Rösler selbst ist in Gefahr, das Amt des Parteichefs nach nur einem Jahr zu verlieren.

In seiner 70-minütigen Rede ging der FDP-Vorsitzende mit der politischen Konkurrenz hart ins Gericht. Der Vizekanzler sprach von einem „schwarz-rot-grünen Einheitsbrei, der unser Land zu ersticken droht“. Auch der Union hielt er vor, auf einen „linken Zeitgeist“ eingeschwenkt zu sein. Die Piratenpartei verglich er mit den Seeräubern, gegen die die Bundeswehr vor der Küste Somalias im Einsatz ist. Dafür steckte er allerdings Kritik von den eigenen Leuten ein. Die Grünen nannte Rösler „intolerante Eiferer“.

Der FDP-Chef rief seine Partei zur Geschlossenheit auf. Der 39-Jährige, der erst im Mai 2011 den Parteivorsitz von Guido Westerwelle übernommen hatte, räumte eigene Fehler ein: „Im Rückblick sage ich: Das ein oder andere hätte ich anders machen oder auch besser lassen können.“ Der Wirtschaftsminister verteidigte aber seine Strategie, die FDP zur „Wachstums-Partei“ zu machen. Während der Rede gab es meist nur mäßigen Applaus. Danach erhoben sich die Delegierten aber für vier Minuten von ihren Sitzen.

Mehr Beifall bekamen Brüderle und Lindner, die beide schon als mögliche Nachfolger gehandelt werden. Der Fraktionschef forderte mehr Kampfgeist: „Wir müssen aufstehen, uns erheben aus den bequemen Sitzen des Vorstands und das Maul aufmachen - damit man noch mal was anderes in Deutschland hört außer dem linken Gesäusel.“ Deutschland stehe dank der FDP besser da als jede andere Industrienation.

Lindner sprach ebenfalls von „historischen Erfolgen“ der FDP. Der 33-Jährige gab aber auch zu: „In Stil und Substanz unseres Regierungshandelns haben wir manche enttäuscht. Deshalb empfiehlt sich jetzt eine gewisse Bescheidenheit im Auftreten.“ Der Spitzenkandidat für Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, verlangte eine „Neubesinnung“. Mit ihren Steuersenkungs-Versprechen sei die FDP „auf ganzer Front stecken geblieben“.

Döring, der seit Lindners überraschendem Rücktritt im Dezember kommissarisch im Amt war, holte mit nur 72 Prozent das schlechteste Ergebnis eines neuen Generalsekretärs seit 1991. Fast 100 Delegierte nahmen an der Wahl gar nicht erst teil. Dagegen erzielte der neue Schatzmeister Otto Fricke mit fast 98 Prozent ein Traumergebnis. Die Bundes-FDP hat einen Schuldenberg von 8,5 Millionen Euro.

Zum Abschluss verabschiedete der Parteitag das neue Grundsatzprogramm „Verantwortung für die Freiheit“. Die Freidemokraten bekennen sich darin zu Wachstum, soliden Finanzen, weniger Staat und - als Antwort auf die Piratenpartei - zu einem neuen Urheberrecht für die digitale Zeit.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, wertete den FDP-Parteitag als vertane Chance zur Neuorientierung. „Die Situation der FDP nach dem Parteitag erinnert an den Untergang der Titanic: Die Kapelle spielt noch. Aber alle wissen, das wird nichts mehr.“ Für die Grünen sagte deren parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck, FDP-Chef Rösler sei zwar noch einmal demonstrativ gestützt worden. Aber: „Die politische Erfahrung sagt, wenn die demonstrative Unterstützung inflationär wird, ist das Ende nah.“

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