Meinung Parteitag - Die FDP in der Glaubwürdigkeitsfalle

Meinung · Es gibt Gründe dafür, dass die FDP immer noch bei acht Prozent dümpelt, während die Grünen auf mehr als 20 Prozent hochgeschossen sind.

 Nicola Beer, FDP-Generalsekretärin und Spitzenkandidatin für die Europawahl der FDP, und Christian Lindner, Fraktions- und Parteivorsitzender der FDP, nehmen den Applaus von Parteimitgliedern beim 70. FDP-Bundesparteitag in Empfang.

Nicola Beer, FDP-Generalsekretärin und Spitzenkandidatin für die Europawahl der FDP, und Christian Lindner, Fraktions- und Parteivorsitzender der FDP, nehmen den Applaus von Parteimitgliedern beim 70. FDP-Bundesparteitag in Empfang.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Die Grünen müssen sich nicht ständig von sich selbst distanzieren, mussten es noch nie. Je konsequenter sie auf Ökokurs gehen, desto glaubwürdiger wirken sie. Die FDP hingegen schleppt die Altlast des Neoliberalismus mit sich herum, der in der Finanzkrise und in der Krise des Arbeitsmarktes gründlich gescheitert ist. Und der sich in der Krise des Wohnungsmarktes derzeit weiter desavouiert. Also versucht die Partei einen Spagat zwischen alter Linie und neuer Anbiederung. Nur fehlt es nun an Glaubwürdigkeit.

Beispiel Klimaschutz. Auf ihrem Parteitag wollen die Liberalen beschliessen, alle Sektoren in den Emissionshandel einzubeziehen, also auch Verkehr, Landwirtschaft und Gebäudeheizung. Und zwar im deutschen Alleingang. Ein richtiger, marktwirschaftlicher Ansatz. Das Problem: Wer glaubt der FDP, dass sie ihn auch noch durchhält, wenn die Emissionszertifikate richtig teuer werden – etwa für Autofahrer? Die Lage der FDP ist der der SPD nicht unähnlich. Sie läuft der Entwicklung hinterher und gerät auch noch zwischen die Stühle. Beispiel Wohnungspolitik. Enteignungen dürften zwar tatsächlich untauglich sein, um neue Wohnungen zu schaffen. Sie aber auch als theoretische Möglichkeit aus dem Grundgesetz zu tilgen, wie die FDP nun fordert, würde jeden Druck von jenen nehmen, die Eigentum derzeit hemmungslos missbrauchen.

Wenn sie denn wenigstens eine Funktionspartei wäre, also wenn die Leute sagen würden: Die FDP wird fürs Regieren gebraucht, als Korrektiv gegen die staatlichen Geldverschleuderer. Außerdem als eine Partei, die auf die kleinen Betriebe achtet, wenn alle nur über Großindustrie reden. Das aber hat Christian Lindner verspielt, als er 2017 Deutschland um ein spannendes politisches Experiment brachte, eine Jamaika-Koalition. Jetzt hoffen selbst Konservative auf Schwarz-Grün. Oder Grün-Schwarz.

 Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

Foto: nn

Apropos Lindner. Die FDP ist die einzige Oppositionspartei, die alle Macht auf eine Figur konzentriert. Es ist rätselhaft, warum die Liberalen den Parteivorsitz nicht vom Fraktionsvorsitz trennen. Gerade in der Opposition wäre es nötig, mehr Köpfe zu profilieren. Wie der Trainer einer erfolglosen Fussballmannschaft muss Lindner sich nun vorhalten lassen, dass seine Partei wieder zurückzufallen droht. Zumal er persönliche Fehler gemacht hat. Am schlimmsten war der Satz gegen die protestierenden Schüler, Klimaschutz sei „Sache von Profis“. Das hat schlagartig das gerade mühsam erarbeitete Image konterkariert. Ist sie eben doch nur die alte, kaltherzige FDP in neuem Kleid? Dieser Verdacht ist auch beim Parteitag in Berlin nicht ausgeräumt worden.

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