Berlin Parlamentsferien - „Das Handgepäck immer griffbereit halten“

Berlin. · Für die Abgeordneten des Bundestags beginnen die Parlamentsferien – wer bestimmt das Sommertheater?

 Touristen statt Parlamentarier: In den nächsten Wochen wird der Reichstag ganz den Besuchern gehören.

Touristen statt Parlamentarier: In den nächsten Wochen wird der Reichstag ganz den Besuchern gehören.

Foto: dpa/Lisa Ducret

Im Bundestag machten einige Abgeordnete am Freitag noch ein paar Gruppenfotos – man sieht sich jetzt länger nicht. Das Parlament hat seine Pforten geschlossen, die Sommerpause hat begonnen. Es kehrt Ruhe ein in den hektischen Berliner Betrieb. Erst im September werden die Volksvertreter wieder unter der Reichstagskuppel zusammenkommen.

Allerdings gilt auch in diesem Jahr das, was der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) den Abgeordneten stets mit auf den Weg gab: „Schwimmen Sie nicht so weit raus und achten Sie darauf, das Handgepäck immer griffbereit zu halten.“

Sondersitzungen wegen drastischen Situationen

Manchmal müssen die Parlamentarier halt schon vorher aus ihrer Heimat oder dem Auslandsurlaub zurückkehren. 2012 zum Beispiel stimmten sie in einer Sondersitzung über die Bankenhilfen für Spanien ab. 2014 tagte der Innenausschuss zur US-Spionage in Deutschland, 2018 ging es um die letzte Kredittranche für Griechenland. Besonders dramatische Ereignisse zwangen auch schon zu Sondersitzungen – wie der Baubeginn der Berliner Mauer am 13. August 1961.

Passiert nichts Unerwartetes, werden die Bundestagsgebäude für die nächsten zwei Monate zur Ruhezone. Sitzungssäle, Kantinen, Flure sind weitgehend verwaist. Im Plenarsaal herrscht ungewohnte Stille, der Betrieb in den Büros läuft auf Sparflamme. Die Partei- und Fraktionsoberen fürchten in dieser Zeit nur, dass einer der ihren das berühmte Sommertheater durch unbedachte Äußerungen und krude Ideen, durch unüberlegte Tweets und Postings anzetteln könnte.

„Nicht jedes Interview geben“

Die Sorge hat auch Olaf Scholz (SPD), Finanzminister und Vizekanzler. Am Mittwoch beim Hoffest der SPD-Bundestagsfraktion rief er den Abgeordneten und deren Mitarbeitern zu: „Während der Sommerpause muss nicht jedes Interview gegeben werden, das ist mein Wunsch.“

Scholz grinste dabei freundlich, aber der nette Hinweis war ernstgemeint: In Berlin gilt die SPD als Anwärter Nummer Eins für den Theaterdonner. Vor allem deswegen, weil die Partei nach dem Abgang von Andrea Nahles dringend neues Spitzenpersonal benötigt. Da könnte so manche Diskussion um diese oder jene Bewerbung für Aufsehen sorgen.

Dezente Mahnungen an die Abgeordneten, sich bitteschön zurückzuhalten, gab es auch bei der Union. Nicht jeder Politiker wird sich erfahrungsgemäß daran halten, denn die Verlockung ist mitunter zu groß, einmal medial so richtig aufzutrumpfen. Und wie in der SPD tobt auch in der Union eine spannende Personaldebatte. Es geht um die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel – besonders im Visier dabei: die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Sagt oder twittert AKK etwas, ist es falsch, sagt oder twittert sie nichts, ist es ebenfalls falsch. Das war zuletzt der Eindruck. Sie wird den Sommer über also auf der Hut sein müssen. Auch der Gesundheitszustand der Kanzlerin, der unweigerlich ein Politikum ist, könnte die Agenda noch bestimmen.

Inhaltlich dürfte der Klimaschutz weiter in aller Munde sein. Vielleicht erlaubt sich dann ja noch der eine oder andere Grüne einen Fehltritt.

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