Organspende: Spahn-Vorstoß erregt die Gemüter
Der Bundestag steht vor einer ethischen Grundsatzdebatte um Organspende.
Berlin. Es ist eine knifflige moralisch-ethische Frage. Sie betrifft jeden. Sie löst Ängste aus. Aber auch Hoffnungen. Bisher werden in Deutschland Verstorbenen nur dann Organe entnommen und transplantiert, wenn sie zu Lebzeiten dem ausdrücklich zugestimmt haben. Künftig, so regte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an, gilt als Ja zur Organentnahme, wenn vorher nicht ausdrücklich ein „Nein“ hinterlegt wurde. Eine glatte Umkehrung, mit der die meisten Menschen schlagartig zu Organspendern werden. Der Bundestag wird es zu entscheiden haben.
Die passive sogenannte Widerspruchslösung gibt es bereits in 17 EU-Ländern. Spahn will sie dadurch ergänzen, dass auch die Angehörigen noch Nein sagen können, wenn keine Entscheidung vorliegt. Eine „doppelte Widerspruchslösung“ nannte er das. Für seinen Vorschlag, darüber frei von Fraktionszwängen im Bundestag abzustimmen, hat er offenbar die Zustimmung von Kanzlerin Angela Merkel. Der derzeitige Zustand der Organspende sei „sehr beklagenswert“, erklärte ihr Sprecher Steffen Seibert am Montagn. Es sei daher richtig, dass diese Debatte im Bundestag geführt werde.
Vor zwei Wochen hatte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Georg Nüßlein (CSU) bereits den gleichen Vorschlag gemacht. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, ist seit langem dafür. Nun werden Spahn, Nüßlein, Lauterbach und weitere Abgeordnete aus anderen Fraktionen wohl an einem Gruppenantrag arbeiten. Und die Gegner an einer Alternative. Sie verweisen, wie die CDU-Gesundheitspolitikerin Karin Maag und ihre Grünen-Kollegin Kirstin Kappert-Gonther darauf, dass die eigentlichen Probleme woanders lägen. Viele Kliniken seien immer noch überfordert mit dem Thema Organspende, sagte Maag auf Anfrage. Im Juli ergab eine Studie, dass die Kliniken bei 27 250 potentiell als Spender geeigneten Verstorbenen des Jahres 2015 nur in 8,5 Prozent der Fälle mit der Deutschen Stiftung für Organspende überhaupt Kontakt aufgenommen hatten.