Obama - Hu Jintao: Mehr Schein als Sein

Gipfeltreffen wird als Teilerfolg für beide Politiker angesehen

Ein symbolträchtiger Gipfel mit viel Aufwand, und nach dem viertägigen Staatbesuch Hu Jintaos in den USA, dem ersten eines chinesischen Präsidenten seit über 13 Jahren, können sich die Ergebnisse sehen lassen. Zwar gab es in den kniffligsten Fragen kaum Fortschritte. Doch substanzielle Erfolge hatte man auch nicht erwartet. Immerhin haben Hu und US-Präsident Barack Obama eine neue Vertrauensgrundlage geschaffen, nach einem ausgesprochen schwierigen Jahr in den bilateralen Beziehungen aus der Sicht des Weißen Hauses immerhin ein Teilerfolg.

Seit Jahren streiten Washington und Peking über Chinas Menchenrechtsverstöße, den Kuschelkurs gegenüber Nordkorea, Währungsmanipulation und andere Formen des Protektionismus sowie eine gemeinsame Strategie, um auch Irans Nuklearprogramm einzudämmen. Weitergekommen sind sie bei den Konfliktpunkten nicht. Doch atmosphärisch waren gerade bei den Gesprächen in Washington Fortschritte zu erkennen. Während seine Vorgänger bei Begegnungen mit chinesischen Staatschefs vor inhaltlicher Kritik zurückscheuten, nahm nämlich Obama kein Blatt vor den Mund.

Sowohl bei privaten Gesprächen als auch in der einzigen gemeinsamen Pressekonferenz ging er mit der Politik seines Gastes hart ins Gericht: Die chinesische Währung werde manipuliert und sei deutlich unterbewertet, eindeutig zum Nachteil amerikanischer Exporteure, schimpfte der Präsident. Auch kritisierte er andauernde Menschenrechtsverletzungen unter dem kommunistischen Regime und beschwerte sich vor allem über die Inhaftierung des Nobelpreisträgers Liu Xiaobo. Es mag kaum mehr als eine protokollarische Höflichkeit gewesen sein, doch erstmals räumte ein hoher Gast aus dem Reich der Mitte ein, dass in Sachen Menschenrechte Chinas Bilanz durchaus zu wünschen übrig lässt.

Michael Green, ein Fernostexperte und früheres Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats, zieht eine nüchterne Bilanz: "Berge versetzt haben sie nicht, doch damit hat angesichts der geringen Erwartungshaltung auch niemand gerechnet." Immerhin aber hätten Obama und Hu den bilateralen Beziehungen und insbesondere der persönlichen Beziehung ein neues Fundament gegeben. "Das ist für sich genommen schon einiges wert. Kein glatter Einser, auf jeden Fall aber Prüfung bestanden" meint Green. Ein Ergebnis, das gerade aus der Sicht der US-Regierung auch ein taktischer Erfolg war. Schließlich hatte sich Obamas PR-Mannschaft von dem Begriff "Gipfeltreffen" bewusst distanziert, und zwar mit dem eindeutigen Ziel, die Latte möglichst niedrig zu hängen.

Während für Hu politischer Symbolismus im Mittelpunkt stand, er wurde in den heimischen Medien auf der großen Bühne neben dem mächtigsten Mann der Welt als ebenbürtiger Partner gefeiert, ging es Obama vorrangig um wirtschaftliche Interessen. So gesehen hatte das Gipfeltreffen auch einen fulminanten Auftakt. Gleich am ersten Tag verkündete nämlich ein strahlender US-Präsident, dass sein Gast Megaaufträge im Wert von 45 Mrd. Dollar im Koffer hatte. Nutznießer der Milliardendeals ist allen voran der Flugzeughersteller und Airbus-Konkurrent Boeing, der 200 Großraumflugzeuge im Wert von 19 Milliarden Dollar an das Reich der Mitte verkaufen wird.

Die Großaufträge für nicht weniger als 70 Firmen könnten in den USA fast eine Viertel Million neue Arbeitsplätze schaffen. Insofern konnte Obama, der nach wie vor mit einer Arbeitslosenquote von 9,4 Prozent zu kämpfen hat, von dem großzügigen Mitbringsel auch innenpolitisch profitieren. Gesamtwirtschaftlich aber kamen sie nicht weiter. Obamas Kritik am künstlich verbilligten Yuan wurde von Hu ignoriert. Auch machte der Gast in handelspolitischen Fragen keine Versprechen oder Zugeständnisse. Verärgert sind US-Firmen vor allem darüber, dass der chinesische Markt für Agrarprodukte abgeschottet bleibt, amerikanische Unternehmen bei der staatlichen Auftagsvergabe keine Chance haben und dass Produktpiraterie, vor allem in den Bereichen Software und Informationstechnologie, ungestraft bleibt.

Im Vorjahr kletterte das amerikanische Handelsdefizit gegenüber China auf einen neuen Rekordstand und wird bald 300 Milliarden Dollar überschreiten. Solange Peking aber mit fast einer Billion Dollar an US-Staatsanleihen der mit Abstand größte Gläubiger des Schuldenstaats Amerika bleibt, wird sich daran auch nicht viel ändern. Denn gegenüber jenem, dem man hunderte von Milliarden von Dollars schuldet, ist selbst ein Obama machtlos.

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