Studium Numerus Clausus für Medizinstudium teilweise verfassungswidrig

Karlsruhe. Das Auswahlverfahren zum Medizinstudium verletzt die Chancengleichheit der Studierenden und ist in einigen Bereichen mit dem Grundgesetz unvereinbar. Bund und Länder müssen deshalb bis Ende 2019 die Auswahlkriterien neu regeln, die es neben der Abiturnote gibt, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil entschied.

 Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, (l-r): Andreas Paulus, Michael Eichberger, Ferdinand Kirchhof (Vorsitz), Johannes Masing und Susanne Baer verkünden das Urteil über die Zulassungsbeschränkung (Numerus clausus) beim Medizinstudium.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, (l-r): Andreas Paulus, Michael Eichberger, Ferdinand Kirchhof (Vorsitz), Johannes Masing und Susanne Baer verkünden das Urteil über die Zulassungsbeschränkung (Numerus clausus) beim Medizinstudium.

Foto: Sina Schuldt

(Az. 1 BvL 2/14 und 1 BvL 4/14)

Demnach muss unter anderem sichergestellt werden, dass Eignungsgespräche an Universitäten bundesweit in "standardisierter und strukturierte Form" stattfinden, um die Chancengleichheit der Studierenden zu wahren. Aktuell gibt es im Fach Humanmedizin 62.000 Bewerber für knapp 11.000 Studienplätze. Deshalb gilt ein sogenannter Numerus Clausus: 20 Prozent der Studienplätze werden zentral über die Abiturnote vergeben, 20 Prozent über Wartezeiten und 60 Prozent über unterschiedliche Kriterien der jeweiligen Hochschulen.

Die zentrale Vergabe der Studienplätze an Bewerber mit den besten Abiturnoten bezeichnete Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof als "sachgerecht", solange die unterschiedliche Notenhöhe in den Ländern durch sogenannte Landesquoten ausgeglichen werde. Diese Vergabe könne aber ihre "Berechtigung verlieren", wenn nur noch die Stellen hinter dem Komma eines Einserabiturs über die Zuteilung eines Studienplatzes entscheiden.

Es ist dem Urteil zufolge "verfassungswidrig", dass der Gesetzgeber die Hochschulen nicht dazu verpflichtet hat, Studienplätze über die Abiturnote hinaus noch nach einem weiteren "eignungsrelevanten Kriterium" zu vergeben. Bei der Studienplatzvergabe dürften etwa auch eine medizinnahe berufliche Qualifikation oder soziale Faktoren berücksichtigt werden. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte dem höchsten deutschen Gericht die Frage vorgelegt, ob die Auswahl von Bewerbern für das Medizinstudium noch "nach sachgerechten Kriterien" erfolgt. Dies hatte Karlsruhe in NC-Urteilen in den 1970er Jahren gefordert.

Das in erster Instanz bundesweit für die zentrale Studienplatzvergabe in Human-, Zahn- und Tiermedizin sowie Pharmakologie zuständige Gelsenkirchener Gericht ist der Auffassung, dass mit durchschnittlichen Abiturnoten - wie in den Ausgangsfällen von 2,0 und 2,6 - auch nach einer "angemessenen Wartezeit" ein Medizinstudium möglich sein muss. AFP

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