NSU-Ausschuss: Eine Kette von Versäumnissen oder ein Fehler im System?

Auch der Ausschuss kann nicht klären, ob es institutionellen Rassismus bei der Polizei gibt.

Berlin. Der Unions-Obmann Clemens Binninger war selbst einmal Polizist. Im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur rechtsterroristischen NSU-Mordserie hat er eine tragende Rolle gespielt.

„Den einen großen Fehler hat es nicht gegeben“, sagte er am Donnerstag bei der Vorstellung des Abschlussberichts. Aber doch ein „verhängnisvolles Versagen“.

Was Binninger meint: Es war eine Vielzahl von Versäumnissen, die das Neonazi-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe viele Jahre lang davonkommen ließ.

Dem widersprechen auch die anderen Mitglieder des Ausschusses nicht grundsätzlich. Viel gelobt wird an diesem Tag die fraktionsübergreifende Einigkeit.

Dass ein gemeinsamer Schlussbericht sogar in Wahlkampfzeiten möglich war, ist bemerkenswert. Allerdings sind viele allzu diplomatische und bürokratische Formulierungen in dem Papier der Preis für die Gemeinsamkeit.

Wenn es den einen großen Fehler nicht gegeben hat, der das Desaster erklären könnte — einen entscheidenden Faktor gibt es ja doch: Bei keinem der neun Morde an türkisch- oder griechischstämmigen Männern gingen die Sicherheitsbehörden dem Verdacht auf einen rechtsextremistischen Hintergrund nach.

Aber war dies nur eine Kette von individuellen Versäumnissen, oder steckte mehr dahinter? Gab es einzelne Beamte, die aus rassistischen Motiven die Täter eher im kriminellen Mafia- und Drogenmilieu suchten als im rechtsextremen Umfeld, die von „Döner-Morden“ sprachen und eine „Soko Bosporus“ etablierten?

Die SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Eva Högl, spricht zumindest von „rassistisch geprägten Verdachts- und Vorurteilsstrukturen“ in der Polizei. Der Zentralrat der Muslime und die Opferanwälte im NSU-Prozess gehen weiter.

Anwältin Angelika Lex meinte: „Es ist sehr wichtig, dass dieser Alltagsrassismus in der Polizei bearbeitet wird.“ Die Muslime wollen einen Anti-Rassismus-Beauftragten. Viele fordern einen „Mentalitätswechsel“ bei den Sicherheitsbehörden.

Der FDP-Abgeordnete Hartfrid Wolff sagt: „Es sind mehr Fragen offen als beantwortet.“ Er meint damit unter anderem die internationalen Verflechtungen der deutschen Neonazis und ihre finanzielle Unterstützung durch unbekannte Quellen.

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy zieht nach eineinhalb Jahren eine eher zufriedene Bilanz: „Der Rechtsstaat ist nicht fehlerfrei, aber in der Lage, aus Fehlern zu lernen.“ SPD-Obfrau Högl hat vor allem eine Sorge: „Dieser Bericht darf jetzt nicht in den Schubladen verschwinden.“ Mit anderen Worten: Die 47 Reformvorschläge müssen umgesetzt werden.

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