Nach Fall der drei Prozent-Hürde: „Das war wohl das letzte Wort“

Die großen Parteien werden wohl nach dem Fall der Drei-Prozent-Hürde keine neue errichten. Derweil wird über die Klausel für den Bundestag diskutiert.

Nach Fall der drei Prozent-Hürde: „Das war wohl das letzte Wort“
Foto: dpa

Karlsruhe/Berlin. Bernd Schlömer, Ex-Piraten-Chef, reckte die Arme in die Höhe. „Wir sind die Bundestagswahlsieger-Besieger“, rief er in die Kameras. In einem Kneipenhinterzimmer in Berlin-Mitte verfolgte er zusammen mit einigen Gesinnungsgenossen die Karlsruher Entscheidung zur Drei-Prozent-Klausel.

Dabei gebührte der Triumph eigentlich der jungen Frau neben ihm. Die Bielefelderin Eleonore Chowdry (26) jetzt Referendarin beim Berliner Kammergericht, hatte für die Piraten die Klageschrift geschrieben, die gestern beim Verfassungsgericht triumphierte. Ganz allein und unentgeltlich. Es war ihre erste Klage nach dem Examen.

Außer den Piraten waren viele andere Kleinparteien aktiv geworden. Mit fünf gegen drei Stimmen kippten die Richter die erst im vergangenen Jahr vom Bundestag mit großer Mehrheit beschlossene Drei-Prozent-Klausel für die Europawahl im Mai. Mit dem Gesetz hatten Union, SPD, Grüne und FDP — nur die Linken stimmten dagegen — auf ein erstes Urteil der Richter von 2011 reagiert, das die damals noch geltende Fünf-Prozent-Regel für nichtig erklärt hatte.

Weil nun gar keine Sperrklausel mehr gilt, reichen bei der Europawahl am 25. Mai ungefähr ein Prozent der Stimmen für einen der rund hundert deutschen Sitze. Die Piraten könnten mit ein oder zwei Abgeordneten ins Straßburger Parlament ziehen. Aber auch die NPD, die Alternative für Deutschland (AfD), die Freien Wähler oder sogar die Familienpartei können hoffen. Verlierer sind die großen Parteien nicht nur rechtlich. Union, SPD und Grüne hatten bei der letzten Europawahl 2009 die sieben Sitze unter sich aufgeteilt, die die kleinen wegen der damals noch geltenden Fünf-Prozent-Hürde nicht einnehmen konnten.

Die Etablierten zeigten sich gestern enttäuscht, wollen das Urteil aber akzeptieren und keinen neuen Anlauf unternehmen. „Das war wohl das letzte Wort“, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD). SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann, erklärte: „Diese Entscheidung ist zu akzeptieren.“ Jetzt müsse man die Zersplitterung des Europaparlaments eben politisch verhindern. „Wir werben im Europawahlkampf für einen Erfolg der demokratischen Parteien.“

Die Sieger von Karlsruhe lenkten den Blick freilich sogleich auf die noch geltende Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen. 15 Prozent der Stimmen seien beim letzten Mal durch sie weggefallen, sagte Piraten-Politiker Schlömer. Und das alte Argument, dass Deutschland durch eine parteipolitische Zersplitterung regierungsunfähig werde, gelte nicht mehr. „Wir leben nicht in Weimarer Verhältnissen.“

Auch die Linken unterstützten eine Abschaffung. Allerdings hatte Karlsruhe in seiner Begründung erneut herausgearbeitet, dass das Europaparlament weit weniger Befugnisse habe, als der Bundestag, der eine stabile Regierung tragen müsse. Deshalb könne die Sperrklausel auf europäischer Ebene fallen, solange die Verhältnisse sich dort nicht grundlegend änderten.

Innenminister Thomas de Maizière erteilte für die CDU daher gestern allen Überlegungen einer Absenkung der Hürde für den Bundestag schon eine Absage. „Die Sperrklausel hat sich bewährt.“

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