„Rittertalk“ in Aachen Merz über klassische Nachrichtenkanäle: „Wir brauchen die nicht mehr“

Düsseldorf · Friedrich Merz (CDU) sorgt mit Äußerungen über Medien für Aufregung. Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), reagierte am Montag mit einem offenen Brief „in hohem Maß irritiert“ auf die Äußerungen.

 Beim „Rittertalk“ des Aachener Karnevalsvereins hat sich Friedrich Merz zu Medien geäußert.

Beim „Rittertalk“ des Aachener Karnevalsvereins hat sich Friedrich Merz zu Medien geäußert.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Der Youtube-Kanal von AKV.TV, der Videosparte des Aachener Karnevalsvereins (AKV), hat überschaubare 370 Abonnenten. Vermutlich ist das der Grund, warum ein bereits am 27. Januar eingestelltes Video des zweiten Rittertalks des AKV drei Wochen brauchte, ehe es zu einer breiteren Öffentlichkeit durchdrang. Es zeigt einen Zusammenschnitt der Veranstaltung mit Friedrich Merz (CDU), in deren Rahmen sich der potenzielle Kandidat für den Parteivorsitz und die Kanzlerschaft auf umstrittene Art und Weise über die klassischen Medien äußert.

Merz’ ungekürztes Originalzitat in dem Videoausschnitt: „Im Augenblick gibt’s ja eine richtige Machtverschiebung zwischen denen, die Nachrichten verbreiten, und denen, die Nachrichten erzeugen. Und zwar zugunsten derer, die die Nachrichten erzeugen. Wir brauchen die nicht mehr. Und das ist das Schöne. Sie können heute über Ihre eigenen Social-Media-Kanäle, über Youtube, Sie können ein Publikum erreichen, das teilweise die Öffentlich-Rechtlichen, auch die privaten institutionalisierten Medien nicht mehr erreichen. Wenn man das richtig nutzt, wenn man das gut macht, dann haben Sie über diese Kanäle eine Möglichkeit, Ihre eigenen Interessen wahrzunehmen, Ihre eigene Deutungshoheit auch zu behalten über das, was Sie gesagt haben. In ganz anderer Form, als wir das früher gehabt haben. So, und das ist die gute Nachricht der Digitalisierung.“

Merz war zu der Veranstaltung eingeladen worden, weil er 2006 vom AKV mit dem Orden wider den tierischen Ernst geehrt worden war, den in diesem Jahr NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erhalten hat. Merz’ Rede hatte damals für Aufsehen gesorgt, weil sich im Nachhinein herausstellte, dass Teile von ihr aus einem Internet-Satiremagazin übernommen worden waren.

Deutscher Journalisten-Verband reagiert mit offenem Brief

Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), reagierte am Montag mit einem offenen Brief „in hohem Maß irritiert“ auf die Äußerungen von Merz beim Rittertalk. „Ich frage Sie: Was für ein Verständnis von der Rolle der Medien im demokratischen Rechtsstaat haben Sie? Sehen Sie in uns Journalistinnen und Journalisten eine überflüssig gewordene Berufsgruppe?“ Sollte Merz als möglicher künftiger CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat Journalisten und Medien als „vierte Säule“ des Staates aushebeln wollen, „sage ich Ihnen den erbitterten Widerstand des DJV gegen diese Art der Informationspolitik voraus“.

Merz versuchte das Thema, das im Netz für viel Empörung sorgte, schnell wieder einzufangen. Auf Twitter veröffentlichte er wenige Stunden später seine Antwort an Überall. Darin schreibt er, sein Satz „Wir brauchen die nicht mehr“ habe sich ausschließlich auf die Verbreitung von Nachrichten über die Social-Media-Kanäle bezogen. „Mit dieser Feststellung habe ich an keiner Stelle die Bedeutung einer freien Presse in Frage gestellt.“ Er betone im Gegenteil „in fast jeder meiner Reden die Bedeutung und Notwendigkeit der Pressefreiheit, die ich durch ganz andere Entwicklungen gefährdet sehe“. Überall wertete das anschließend als „Klarstellung in Sachen Pressefreiheit“.

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