Merkel mahnt Mursi: Menschenrechte einhalten

Berlin/Kairo (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Ägyptens Präsidenten Mohammed Mursi zur Einhaltung von Demokratie und Menschenrechten aufgefordert. Das islamistische Staatsoberhaupt versicherte nach einem Treffen am Mittwoch im Kanzleramt: „Ägypten wird ein Rechtsstaat sein.“

Er verwahrte sich aber gegen eine „Einmischung in interne Angelegenheiten“. Während des Deutschland-Besuchs Mursis kam es in Ägypten zu neuen Gewaltausbrüchen. Nach einem Bruch in der Gesellschaft wie durch die Revolution vor zwei Jahren dauere es, bis Stabilität einkehre, sagte Mursi. Er versprach: „Wir bleiben auf dem Weg zur demokratischen Gesamtordnung.“ Die deutsch-ägyptische Zusammenarbeit werde eine völlig neue Ebene erreichen.

Bei einer Konferenz der Körber-Stiftung versicherte Mursi am Abend, die Menschenrechtslage in seinem Land habe sich nicht verschlechtert. „Das ist eine falsche Beschreibung der Realität.“ Es gebe natürlich individuelle Verstöße. Schuld seien unter anderem Überbleibsel des alten Regimes. Der Präsident warf dem Westen vor, das alte undemokratische System in Ägypten viele Jahre unterstützt zu haben. „Westliche Staaten haben über Jahrzehnte das Leben solcher Regime verlängert.“ Daher müsse es jetzt zu einem gleichberechtigten Dialog auf Augenhöhe kommen. Es dürfe nicht sein, „dass eine Seite glaubt, sie könne sich über die andere Seite erheben“.

Merkel sagte am Nachmittag, für die Bundesregierung sei es wichtig, dass alle politischen Kräfte in Ägypten beachtet werden und ein Gesprächsfaden zu ihnen bestehe. Menschenrechte müssten eingehalten, und die Religionsfreiheit müsse gelebt werden können. Eine Voraussetzung für stabile politische Verhältnisse sei eine gute Wirtschaftsentwicklung. Für die deutsche Wirtschaft seien rechtlich stabile Rahmenbedingungen für Investitionen in Ägypten zwingend. Der 61-jährige Präsident, der seit Juni im Amt ist, hofft auf mehr Finanzhilfen und private Investitionen aus Deutschland. Wegen der Spannungen in seinem Land - am Mittwoch kam es in Kairo erneut zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei mit Toten und Verletzten - verkürzte Mursi seinen ursprünglich zweitägig geplanten Besuch um einen Tag und sagte ein Treffen mit Bundespräsident Joachim Gauck ab.

Oppositionsführer und Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei forderte Mursi auf, nach seiner Rückkehr nach Kairo eine Krisensitzung einzuberufen, zu der Vertreter der Opposition eingeladen werden sollten. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte der „Rheinischen Post“, Mursi müsse sich für die Einbeziehung der Opposition, gleiche Rechte und Gewaltlosigkeit einsetzen.

Mursi versicherte, er wolle demokratische Reformen vorantreiben. Seine Verhängung des Notstands in Teilen des Landes verteidigte er als vorübergehende Maßnahme. „Sie dient der Sicherheit der Einwohner, um kriminellen Überfällen ein Ende zu setzen.“ Auf die Frage, ob er die Opposition in eine Allparteienregierung einbinden wolle, sagte er, es gebe eine stabile Regierung. Nach den Parlamentswahlen in wenigen Monaten werde über eine neue Regierung entschieden.

Zu Medienberichten über seine Äußerungen im Jahr 2010, die Zionisten in Israel seien „Blutsauger“ und „Nachfahren von Affen und Schweinen“, sagte Mursi, das sei aus dem Zusammenhang gerissen. Es sei damals die Rede von religiösen Praktiken gewesen, mit denen Blut vergossen oder mit denen unschuldige Zivilisten angegriffen würden. Das akzeptiere er nicht. Er betonte: „Ich bin nicht gegen das Judentum als Religion.“

Außenminister Guido Westerwelle sagte im ARD-„Morgenmagazin“: „Ich rate uns, geben wir der Revolution in Ägypten - bei allen Bildern, die uns schockieren - dennoch eine Chance.“ Die deutsche Unterstützung sei an Bedingungen geknüpft. „Die Transformationspartnerschaft, die wir angeboten haben, hängt klar davon ab, dass auch die demokratische Entwicklung in Ägypten vorwärtsgeht.“ Entscheidend seien Taten, nicht Worte.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International protestierte mit zwei übergroßen Nofretete-Figuren vor dem Kanzleramt gegen das Vorgehen der ägyptischen Sicherheitskräfte. Eine Figur trug eine Gasmaske, die andere einen blutigen Verband.

Unterdessen waren am Mittwoch in Kairo Demonstranten Steine und Brandbomben auf die Polizei. Zwei Demonstranten kamen ums Leben. Auch in den drei östlichen Provinzen, in denen Mursi nach den schweren Krawallen vom Wochenende für einen Monat eine nächtliche Ausgangssperre verhängt hatte, waren die Menschen in der Nacht erneut auf die Straße gegangen.

Die andauernde Krise zwei Jahre nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak wirkt sich auch auf die ägyptische Wirtschaft aus, der Tourismus hat ebenfalls darunter zu leiden. Ägyptens Investitionsminister Osama Salih ermunterte deutsche Unternehmer zu mehr Investitionen in seinem Land. Insbesondere der Energiesektor biete gute Chancen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Erwünscht seien Investitionen in Kraftwerke sowie erneuerbare Energien wie Wind- und Sonnenenergie. Allein in Deutschland steht das Land mit 2,5 Milliarden Euro in der Kreide.

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