Merkel gibt sich nicht mit Wahlkampf ab

Die Bundeskanzlerin stellt sich den Fragen der Hauptstadtpresse und zeigt deutlich ihren Unmut über die NSA-Affäre.

Berlin. Der Name Peer Steinbrück fällt kein einziges Mal. Auch nicht SPD, Grüne oder so etwas. Kein Wort über die Opposition, nicht einmal ein böses.

Wie eine Wahlkämpferin vor der Schlacht benimmt sich Angela Merkel nicht bei ihrer Sommer-Pressekonferenz. Die Botschaft ist: Ich habe Wichtigeres zu tun. Ich regiere. Und das macht mir Spaß. „Ich trage gern Verantwortung für die Menschen in Deutschland.“

Nach diesem Auftritt muss man sich Merkel als eine Frau vorstellen, die sich jeden Tag auf ihren Job freut. „Es ist eine sehr schöne, inspirierende Arbeit. Auch morgens ins Büro zu gehen und nicht zu wissen, was geschieht.“

Gut gelaunt beantwortet die CDU-Vorsitzende 90 Minuten lang alle Fragen, auch persönliche. Ja, sie ist intensiv im Internet unterwegs. Selbstironisch sagt sie, dass sie mit dem Wort „Neuland“ ja für Gesprächsstoff gesorgt habe. Es gebe zum Beispiel die Verführung, sofort jeden Fakt im Internet nachzuprüfen.

„Man muss aufpassen, dass man noch durchgehende Gespräche führen kann“. Merkel grient. Man kennt ihre Surfsucht aus den Bundestagssitzungen, wo sie oft unter der Regierungsbank mit dem Tablet oder Smartphone hantiert.

Demonstrativ wiederholt sie zu Beginn ihren Satz von der erfolgreichsten Regierung seit der Wiedervereinigung und liest eine Art Erfolgsbilanz vor, fast im Münteferingschen Kurzsatz-Stil: „Die Wirtschaft ist stark, die Lage des Landes ist gut.“

Das ist die eine Botschaft. Die andere: Die Eurokrise ist zumindest entschärft. Man darf annehmen, dass sie damit den Wahlkampf bestreiten wird, wenn sie sich denn doch noch auf ihn einlassen sollte. Ob die Botschaften stimmen, wird von den Journalisten schon kaum noch hinterfragt.

Die Pressemeute interessiert sich ohnehin fast nur für die US-Späh-Affäre. Merkel, die dieses Thema lange ihrem Innenminister Hans-Peter Friedrich überlassen hat, geht endlich in die Offensive. Friedrichs Formulierung, dass es ein „Super-Grundrecht“ namens Sicherheit gäbe, teilt sie offenbar nicht.

Freiheit und Sicherheit müssten immer in einer Balance stehen, meint sie. „Das ist meine Aufgabe als Kanzlerin“. Auch ist ihre Tonlage viel US-kritischer. Allein zehnmal wiederholt sie die Formulierung, dass „auf deutschem Boden deutsches Recht gilt“. Merkel ist erkennbar sauer auf die Partner in Washington.

„Partner heißen Partner, weil sie Partner sind. So was macht man nicht unter Partnern“, sagt sie zum Beispiel. An anderer Stelle: „Hier ist Vertrauen berührt.“ Und sie zitiert sogar Gerhard Schröder, der im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg einmal die Frage gestellt hatte, ob das Recht des Stärkeren gelte oder die Stärke des Rechts. „Hier gilt die Stärke des Rechts. Das erwarte ich von jedem“, sagt die Kanzlerin.

Sie trägt einen Acht-Punkte-Katalog der Konsequenzen vor: Das reicht von der Aufkündigung eines alten Abkommens von 1968, das den damaligen alliierten Schutzmächten gewisse Schnüffelrechte in Deutschland gab, bis zu einer europäischen Datenschutzverordnung, die Firmen verpflichten soll, mitzuteilen, wenn sie Daten an Dritte, etwa die NSA, geben.

Vor allem aber möchte Angela Merkel den USA auf ihrem ureigensten Feld, der Internet-Technologie, Konkurrenz machen. Man müsse mit den EU-Partnern über eine „ambitionierte europäischen IT-Strategie reden“, sagt die Kanzlerin. „Sonst geraten wir in Abhängigkeiten.“

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