Über 100 Fälle pro Jahr Mehr Fälle von Rechtsextremismus bei Sicherheitsbehörden in Deutschland als bislang bekannt

Berlin · Wenn Extremisten an Orten arbeiten, wo sie Zugang zu sensiblen Daten und Waffen haben, ist das problematisch. Jetzt legt die Bundesinnenministerin den zweiten Bericht vor.

Das Bundesinnenministerium veröffentlicht zum zweiten Mal ein Lagebild zu «Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden».

Das Bundesinnenministerium veröffentlicht zum zweiten Mal ein Lagebild zu «Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden».

Bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sind in den vergangenen Jahren mehr Fälle von Rechtsextremismus aktenkundig geworden als bislang bekannt. Die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern werteten zwischen dem 1. Juli 2018 und dem 30. Juni 2021 insgesamt 860 Fälle von Mitarbeitenden mit dem ursprünglichen Verdacht auf Bezüge zum Rechtsextremismus sowie „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ aus, wie das am Freitag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgestellte Lagebild zeigt.

In 327 Fällen ergaben sich dabei Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen, bei 533 Fällen konnten keine Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festgestellt werden. In den Landessicherheitsbehörden gab es den Angaben zufolge bei 189 Fällen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. In den Bundessicherheitsbehörden wurden in 138 Fällen verfassungsfeindliche Bestrebungen festgestellt.

Am häufigsten wurden dabei insgesamt Mitgliedschaften in einschlägigen Chatgruppen (152) registriert. 143 Mal wurden Mitgliedschaften in, Unterstützung von oder Kontakte zu verfassungsschutzrelevanten Organisationen entdeckt.

Außerdem wurden 141 Fälle von politisch motivierter Beleidigung festgestellt. Dabei ging es zum Beispiel die Menschenwürde verletzende, ausgrenzende, verächtlichmachende, verspottende oder anderweitig herabwürdigende Äußerungen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen islamischen oder jüdischen Glaubens. In etwas geringerem Ausmaß wurden weitere rechtsextremistische Verlautbarungen und Aktivitäten, Propagandaaktivitäten und Teilnahmen an rechtsextremistischen Veranstaltungen gemeldet.

Im Vergleich zum ersten Lagebericht aus dem Jahr 2020 seien die Fallzahlen insgesamt gestiegen, hieß es in dem Bericht weiter. Der erste Lagebericht hatte 319 Verdachtsfälle mit Bezug zum Rechtsextremismus bei Landesbehörden und 58 bei Bundessicherheitsbehörden dokumentiert. Bei 34 der Fälle auf Bundes- und Landesebene verdichteten sich die tatsächlichen Anhaltspunkte für Rechtsextremismus.

Der Anstieg der Zahlen ist den Angaben zufolge aber auch auf eine fortentwickelte Methodik zurückzuführen. So umfasse der Lagebericht erstmalig auch „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ - selbst wenn diese nur einen geringen Anteil der ausgewerteten Fälle darstellen. „Ferner dürfte der Anstieg der Fallzahlen auf die weitere Aufhellung des Dunkelfeldes extremistischer Sachverhalte im öffentlichen Dienst zurückzuführen sein“, heißt es in dem Papier.

Durch eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden und der Weiterentwicklung der Erhebungsmethoden hätten nunmehr auch Fälle erfasst werden können, die dem Verfassungsschutzverbund zuvor unbekannt gewesen seien. „Zudem führt die nochmals erhöhte Sensibilisierung für das Thema Extremismus in den eigenen Reihen mitunter zu einer niedrigschwelligen Bearbeitung in den Sicherheitsbehörden selbst“, heißt es in dem Bericht weiter.

Die Fortschreibung des Lageberichts Rechtsextremisten, „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ in Sicherheitsbehörden hatte die Innenministerkonferenz im Dezember 2020 beschlossen.

(dpa)
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