Massenhafter Protest gegen Krieg und Atomkraft

Berlin (dpa) - Mehr als 100 000 Menschen haben nach Angaben der Veranstalter an Ostern in ganz Deutschland gegen Militäreinsätze und Atomkraft demonstriert.

Die traditionellen Ostermärsche für Frieden und Abrüstung waren 25 Jahre nach Tschernobyl auch von der aktuellen Diskussion um die Kernenergie angesichts der Atomkatastrophe in Japan geprägt. Deutsche Bischöfe begrüßten in ihren Osterpredigten einen Ausstieg aus der Atomenergie und mahnten Hilfen für die Konfliktregionen in Nordafrika an.

Am Ostermontag hatte die Anti-AKW-Bewegung auch aus Anlass des 25. Jahrestages der Atomkatastrophe in Tschernobyl an zwölf Atomstandorten zu Demonstration für die sofortige Stilllegung der Anlagen aufgerufen. Daran nahmen nach Angaben der Umweltorganisation BUND etwa 120 000 Menschen teil. Die Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ sprach sogar von fast 145 000 Teilnehmern.

Allein im niedersächsischen Grohnde versammelten sich nach den Angaben 20 000 Menschen mit roten Luftballons, gelben und grünen Fahnen und Transparenten rund um das Kernkraftwerk; die Polizei zählte rund 5000 Teilnehmer. Auch am AKW Unterweser hatten nach Polizeiangaben rund 4000 Menschen eine Kette um den Meiler gebildet, Kanus und Segelboote vervollständigten die symbolische Abriegelung von der Wasserseite.

Zum geplanten Endlager Schacht Konrad (Niedersachsen) kamen nach Angaben von „ausgestrahlt“ 11 000 Demonstranten, zur Urananreicherungsanlage Gronau (Niedersachsen) 10 000. In Mecklenburg-Vorpommern versammelten sich vor dem atomaren Zwischenlager Lubmin etwa 2500 Menschen.

Im südhessischen Biblis demonstrierten nach Angaben der Organisatoren 15 000 Menschen (Polizei: rund 10 000) für die Abschaltung von Atomkraftwerken. In Unterfranken zogen demnach ebenfalls 15 000 Menschen (Polizei: mehr als 10 000) in einem Sternmarsch zum Atomkraftwerk Grafenrheinfeld. Am AKW Krümmel in Schleswig-Holstein protestierten 17 000 Menschen. Tausende demonstrierten auch auf den Rheinbrücken zwischen Baden-Württemberg und Frankreich sowie gegen das AKW Neckarwestheim. Eine Demonstration mit deutscher Beteiligung gab es auch in der Nähe des französischen Atomkraftwerks Cattenom.

Die 80 Ostermärsche, die von Freitag bis Montag stattfanden, führten durch insgesamt 100 Städte. Verglichen mit dem vergangenen Jahr hatten die meisten Ostermärsche nach Angaben der Organisatoren größeren Zulauf. Die Proteste richteten sich gegen den Einsatz der Nato-Truppen in Afghanistan, das militärische Eingreifen in Libyen sowie gegen die weltweiten Rüstungsexporte. Die Teilnehmer forderten statt militärischer Lösungen humanitäre Hilfe und die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen.

Am Samstag waren in Berlin nach Veranstalterangaben rund 4000 Menschen auf die Straße gegangen. Die Polizei sprach von rund 1500 Teilnehmern. Durch die Hamburger Innenstadt zogen unter dem Motto „Bundeswehr raus aus Afghanistan! Atomwaffen abschaffen, Atomkraftwerke abschalten“ laut Polizei rund 750 Demonstranten. In München waren es nach Veranstalterangaben etwa 900 Menschen, nach Polizeiangaben etwa 450. Am Montag kamen etwa 800 Demonstranten zu einer Kundgebung in Nürnberg. In Rheinland-Pfalz demonstrierten rund 300 Menschen für den Abzug der möglicherweise letzten in Deutschland stationierten US-Atomwaffen vom Fliegerhorst Büchel.

Ostermärsche gibt es in Westdeutschland seit 50 Jahren. Sie entstanden 1960 nach britischem Vorbild und etablierten sich als politische Protestaktion der Friedensbewegung gegen Atomwaffen. Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall des Ostblocks hat das Interesse nachgelassen.

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