Interview Marco Buschmann (FDP): „Die Regierung befasst sich mit Firlefanz“

Berlin · Zum Dreikönigstreffen träumt die FDP vom Wechsel in der Bundesregierung. Und Fraktionsgeschäftsführer Buschmann lockt enttäuschte Sozialdemokraten.

 Marco Buschmann, FDP-Fraktionsgeschäftsführer, glaubt, dass Deutschland und Europa angesichts internationaler Probleme orientierungslos wirkt.

Marco Buschmann, FDP-Fraktionsgeschäftsführer, glaubt, dass Deutschland und Europa angesichts internationaler Probleme orientierungslos wirkt.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Dem traditionellen Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart eilen diesmal auffallend viele Vorschläge aus der Führungsriege für eine rasche Regierungsneubildung voraus. Was die Liberalen damit bezwecken, erläuterte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann (42) im Interview.

Herr Buschmann, auf allen Kanälen lanciert die FDP jetzt Ideen, wie man kurzfristig zu einer neuen Regierung kommen kann. Dabei gibt es überhaupt keine akute Regierungskrise. Was soll das?

Marco Buschmann: Schauen Sie auf das, was gerade in der Welt passiert: China, Russland und die USA bauen an einer neuen Weltordnung. Deutschland und Europa wirken orientierungslos. Wir geraten handels- und wirtschaftspolitisch immer mehr unter Druck, wir haben erstmals wieder steigende Arbeitslosenzahlen.  Und alles, worüber die Bundesregierung spricht, ist die Bonpflicht für Bäcker. Wir brauchen dringend eine Regierung, die die richtigen Schwerpunkte setzt und die Republik nicht mit solchem Firlefanz befasst.

Sie haben vorgeschlagen, zusammen mit CDU und CSU sowie enttäuschten Abgeordneten der SPD die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Kanzlerin zu wählen. Das erinnert fatal an den Versuch der Union von 1972, Willy Brandt mit Hilfe von Überläufern zu stürzen.

Buschmann: Eine konstruktive Oppositionspartei, die mit dem Zustand im Land unzufrieden ist, kann nicht nur jammern. Sie  muss Vorschläge machen, wie es besser wird. Wer Kanzler würde in einer solchen Konstellation, das muss die Union dann für sich entscheiden. Wir würden uns als FDP auch nicht in unsere Personalentscheidungen hineinreden lassen.

War Ihr Vorschlag mit Parteichef Lindner abgestimmt?

Buschmann: Ich habe ihn selbst aufgeschrieben.

Wenn Sie SPD-Anhänger abwerben wollen, müssen sie etwas bieten, zum Beispiel in Sachen Kampf gegen Altersarmut oder gegen hohe Mieten.

Buschmann: Viele in der SPD hadern mit dem Kurs ihrer Partei, vor allem unter der neuen Führung. Solchen Menschen eine neue politische Heimat anzubieten, ist eine demokratische Aufgabe. Viele dieser Unzufriedenen wissen, dass wirtschaftliche Stärke Voraussetzung für sozialen Ausgleich ist. Das ist die Brücke zu uns.

Ist das alles nicht eher der verzweifelte Versuch, der FDP rechtzeitig vor Ihrem Dreikönigstreffen mehr Gehör zu verschaffen?

Buschmann: Wieso? Die FDP steht stabil da, in den Umfragen sogar teilweise  besser als kurz vor der letzten Bundestagswahl. Aus Neuwahlen würden wir wahrscheinlich gestärkt hervorgehen.

Müssen Sie Botschaften und Erscheinungsbild nachjustieren? Etwa beim Klimaschutz?

Buschmann: In Nordrhein-Westfalen hat die schwarz-gelbe Regierung die Klimaziele übererfüllt. Das zeigt, dass wir nicht nur abstrakt über Klimaschutz reden, sondern ihn auch sehr konsequent betreiben, wenn wir die Möglichkeit dazu haben. Die Tat zählt dauerhafter als das flüchtige Wort.

Was wird die zentrale Botschaft von Stuttgart sein?

Buschmann: Dass wir in die 20er Jahre nicht mit einer pessimistischen Grundhaltung hereingehen dürfen. Wir müssen der gefährlichen Idee entgegentreten, dass der Zusammenbruch unausweichlich, ein großer Crash zwingend oder die internationalen Systeme wie EU und Nato zum Scheitern verurteilt wären. Diesem lethargischen Pessimismus in der Politik müssen wir die Stirn bieten. Wir brauchen mehr Mut, Ambition und Optimismus.

Bedeutet Ihr Ruf nach einer neuen Regierung, dass Sie es inzwischen bedauern, vor zwei Jahren die Möglichkeit einer Jamaika-Koalition so leichtfertig scheitern gelassen zu haben?

Buschmann: Wir haben uns damals gegen diese Koalition entschieden, weil die Union einen falschen, wirtschaftsschädlichen Kurs verfolgte. Niemand konnte aber absehen, dass es einen historischen Verfallsprozess der großen Volksparteien geben würde, mit der Folge, dass die Regierung mittlerweile nahezu handlungsunfähig ist. Jetzt ist es auch unsere Aufgabe, Alternativen aufzuzeigen und Brücken anzubieten, über die man gehen kann.

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