Interview Machtkämpfe in der AfD - „Eine Spaltung ist durchaus denkbar“

Berlin · Der Parteienforscher Oskar Niedermayer spricht über die Machtkämpfe in der AfD und mögliche Folgen.

 Der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer.

Der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer.

Foto: picture alliance / Julian Strate/Julian Stratenschulte

Die AfD steckt tief im Richtungsstreit. Der rechtsnationale „Flügel“ um den Thüringer Partei- und Fraktionschef  Björn Höcke hat der Führung der Bundespartei den Kampf angesagt. Das weckt den Zorn gemäßigter Kräfte. Wohin steuert die AfD? Antworten gibt es von dem Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer.

Herr Niedermayer, der „Flügel“ um Höcke greift nach der Macht in der AfD. Kann das gelingen?

Oskar Niedermayer: Das ist schwer abzuschätzen. Denn niemand weiß mit Bestimmtheit, wie stark Höcke und sein „Flügel“ an der Parteibasis ist. Das liegt auch daran, dass man sich nicht mit festen Mitgliedschaften organisiert hat, wie das in anderen Parteien üblich ist. Am Ende lässt sich der Einfluss des „Flügels“ nur am Verhalten der Delegierten auf Parteitagen erkennen. Daher muss man auch den nächsten ordentlichen Parteitag im Herbst abwarten. Dann wird die Führung neu gewählt.

Mehr als 100 Mandatsträger haben sich jetzt gegen Höcke aufgelehnt, aber nicht gegen seine politische  Ausrichtung. Was schließen Sie daraus?

Niedermayer: Man könnte meinen, dass diese Leute inhaltlich allesamt auf  Höckes Seite sind. Doch da würde ich Zweifel anmelden. Es bestehen schon ideologische Unterschiede. Ein Teil der Höcke-Kritiker ist zwar nationalkonservativ, aber eben nicht völkisch-nationalistisch wie Höcke. Dass sie ihn trotzdem nicht inhaltlich  kritisieren, hat damit zu tun, dass die AfD zumindest bis zu den drei Landtagswahlen im September und Oktober im Osten ein halbwegs geschlossenes Bild abgeben soll.

Den AfD-Anhängern vor allem im Osten sind die Querelen in der Partei bislang aber ziemlich egal gewesen.

Niedermayer: Mag sein. Aber wenn eine Partei öffentlich nur noch als total zerstritten wahrgenommen wird, dann ist das einem guten Wahlergebnis auch im Osten zumindest nicht förderlich.

Die AfD-Führung scheut die offene Auseinandersetzung mit Höcke. Will sie nicht, oder ist sie schon zu schwach dazu?

Niedermayer: Zu den Unterzeichnern des Appells gehören auch zwei stellvertretende Bundesvorsitzende und drei Mitglieder des Bundesvorstands. Dort steckt man im Zwiespalt.  Einerseits hat die Führung einiges zur Abgrenzung von der Ideologie Höckes getan. So hat der Bundesvorstand zum Beispiel den NRW-Landesverband gezwungen, dessen gesamten Vorstand im Oktober neu wählen zu lassen. Andererseits ist das aber natürlich halbherzig. Auch der Parteiführung geht es letztlich darum, den Laden irgendwie zusammenzuhalten.

Wie groß ist die Gefahr, dass sich die AfD spaltet?

Niedermayer: Es gab ja schon die Warnung gemäßigter Kräfte,  dass sie geschlossen austreten würden, wenn Höcke den Führungsanspruch erhebt. Falls er sich auf dem nächsten Bundesparteitag selbst zur Wahl stellt und die womöglich  gewinnt, ist eine Spaltung durchaus denkbar. Der rechtsnationale Flügel allein hätte dann aber kaum eine Überlebenschance. Genauso wenig wie der nationalkonservative Flügel.

Warum nicht?

Niedermayer: Die Erfolge der AfD beruhen darauf, dass man immer noch ein breites Spektrum anspricht. Von bürgerlichen Wählern bis hin zum rechtsextremen Rand. Wenn sich die Partei spaltet, dann spaltet sich auch die Wählerschaft. Im Übrigen gab es ja schon mehrere Abspaltungen. Von bürgerlich-konservativ bis stramm rechts. Und die sind allesamt in der Versenkung verschwunden.

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