Fall Amri Maaßen verteidigt Terrorabwehr-Experten gegen Vorwürfe

Berlin (dpa) - Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat die Terrorabwehr-Experten in Bund und Ländern gegen Kritik angesichts immer neuer Enthüllungen im Fall Anis Amri verteidigt.

Fall Amri: Maaßen verteidigt Terrorabwehr-Experten gegen Vorwürfe
Foto: dpa

„Die Kollegen im GTAZ (Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum) gehen hochprofessionell und erfahren an die Sache heran“, sagte Maaßen der Deutschen Presse-Agentur. „Ich kann bisher jedenfalls nicht erkennen, dass die Verantwortlichen in den Ländern Fehler gemacht haben.“

Amri vor war knapp drei Wochen mit einem Lkw in eine Budengasse eines Weihnachtsmarktes an der Gedächtniskirche mitten in Berlin gerast. Zwölf Menschen starben bei dem Anschlag, mehr als 50 wurden teils schwer verletzt. Der 24-jährige Tunesier hatte sich den Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zufolge in einer stark veränderten Salafisten-Szene in Deutschland radikalisiert. Der Salafismus ist eine extrem konservative Strömung des Islams.

Ermittler waren dem Radikal-Islamisten vor seinem Anschlag über Monate hinweg deutschlandweit auf der Spur, wussten um seine Besuche in Salafisten-Moscheen und kannten den abgelehnten Asylbewerber unter mindestens 14 verschiedenen Namen. Zudem gab es Warnungen eines marokkanischen Geheimdienstes, der als „islamistischer Gefährder“ eingestufte Amri plane einen Anschlag.

Die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden steht daher heftig in der Kritik. Die Linken fordern einen Untersuchungsausschuss des Bundestages. Mitte Januar befassen sich die Geheimdienst-Kontrolleure des Parlaments erstmals offiziell mit dem Fall.

„Die Beweislage war dünn“, verteidigte Maaßen das Vorgehen. „Und man muss auch immer die Ressourcen sehen, die wir haben, um Observationen oder Telekommunikationsüberwachung in großem Umfang durchzuführen.“ Es gebe schließlich „noch andere Gefährder in Deutschland, die uns große Sorgen machen“.

Nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) stufen die deutschen Sicherheitsbehörden 548 Menschen als sogenannte islamistische Gefährder ein (Stand 30. Dezember 2016). Ihnen trauen die Behörden Anschläge zu. Die Hälfte der Gefährder hält sich demnach in Deutschland auf, davon sind mehr als 80 in Haft. Die Nachrichtendienste zählen weit mehr als 1200 Menschen zum islamistisch-terroristischen Personenpotenzial. Dazu gehören auch Unterstützer und Kontaktleute von „Gefährdern“.

Der neue Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Markus Ulbig (CDU), rief die Bundesregierung auf, „nun endlich schnell die rechtliche Basis“ dafür zu schaffen, dass Gefährder in Abschiebehaft genommen werden können. „Wenn eine „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ für einen Asylbewerber klar nachgewiesen ist oder er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, ist das für mich ganz klar ein Abschiebehaftgrund“, sagte der sächsische Minister der „Rheinischen Post“ (Samstag). Er forderte, ausreisepflichtige Straftäter sollten nicht nur Deutschland, sondern den gesamten Schengenraum verlassen.

Amri bewegte sich nach BfV-Erkenntnissen in einer Salafisten-Szene, die zuletzt einen grundlegenden Wandel erlebt hat. Während der Salafismus vor ein paar Jahren fast immer mit Figuren wie Pierre Vogel oder Sven Lau in Verbindung gebracht worden sei, seien es „nun meist Einzelpersonen, die ihre Jünger um sich scharen“, sagte Maaßen. „Man kann daher nicht mehr von der salafistischen Szene reden, sondern man hat es mit vielen Hotspots zu tun.“

Nach BfV-Angaben werden dem Salafismus derzeit in Deutschland mehr als 9700 Menschen zugerechnet. Ende Oktober hatte das Bundesamt ihre Zahl auf 9200 beziffert. Amri besuchte häufiger salafistische Moscheen in Berlin und in Nordrhein-Westfalen

Maaßen sagte der dpa: „Es gibt nicht nur ein, zwei, drei, vier Personen, die das Sagen haben. Sondern es gibt sehr viele Personen, die diese salafistische Szene dominieren. Und all diese Personen müssen wir im Blick behalten.“ Darüber hinaus bilden sich demnach auch sehr viele Gruppen, die vor allem über virtuelle Netzwerke kommunizieren, etwa im Internet oder in WhatsApp-Gruppen.

Diese Veränderungen erschwerten die Arbeit des Verfassungsschutzes, „weil wir nicht mehr nur auf einige wenige Köpfe schauen müssen. Wir müssen auf viele Gruppierungen achten“, sagte Maaßen.

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