Karliczek fordert Wertedebatte : Lindner warnt vor „vertrumpter“ Demokratie
Berlin (dpa) - Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hat angesichts der Diskussion um Rassismus in Deutschland nach dem Rückzug Mesut Özils aus der Nationalmannschaft eine Wertedebatte gefordert.
„Wir müssen dringend eine ruhige und gründliche Diskussion darüber führen, wie wir miteinander leben wollen und was einem toleranten Umgang im Weg steht“, sagte die CDU-Politikerin dem „Tagesspiegel“ (Sonntag).
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner warf unterdessen „Inhabern höchster Staatsämter“ in Deutschland „Pegida-Vokabular“ vor. „Wir laufen Gefahr, in einer verprollten, vertrumpten Demokratie zu leben“, sagte Lindner der „Bild am Sonntag“. „Zugleich wird völkisches und autoritäres Denken salonfähig. Dagegen muss man sich wehren.“ Konkrete Namen nannte Lindner nicht.
Zuletzt waren Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wegen des Begriffs „Asyltourismus“ und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wegen des von ihm geprägten Wortes von der „Anti-Abschiebe-Industrie“ in die Kritik geraten.
Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping klagte mit Blick auf den Streit über die Flüchtlingspolitik, es gebe in Deutschland eine zunehmende Unmenschlichkeit. Zwar sei nicht das ganze Land rassistisch, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Doch habe es in den vergangenen Jahren „eine Rechtsverschiebung“ gegeben. Was als sagbar und machbar gelte, sei „immer mehr ins Unmenschliche verschoben worden“. So werde diskutiert, „ob man Flüchtlinge im Mittelmeer retten oder einfach ersaufen lassen soll“, sagte Kipping.
Auch eine Mehrheit der Deutschen findet, dass Rassismus in den vergangenen zehn Jahren zugenommen hat. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für „Bild am Sonntag“. Demnach sagten 57 Prozent der Befragten, dass Rassismus in dem Zeitraum eher zugenommen hat. 29 Prozent gehen davon aus, das der Rassismus gleich geblieben ist. Von einer Abnahme gehen nur acht Prozent aus.