"Lies!"-Verbot vor Gericht: Worum es dabei wirklich geht
„Lies!“ war die größte und aufwendigste Werbeaktion von Islamisten in Deutschland. Vor gut einem Jahr wurde sie verboten. Dagegen wehren sich die Initiatoren nun vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Leipzig/Köln. Wenn geständige Islamisten und Syrien-Rückkehrer über ihren Weg in den Terrorismus berichten, sagen viele, mit „Lies!“ habe alles angefangen. Die Koran-Verteilaktion in deutschen Innenstädten war die größte und aufwendigste Werbeaktion von Salafisten in Deutschland - bis sie vor gut einem Jahr verboten wurde. An diesem Dienstag verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über eine Klage der Initiatoren gegen das Verbot (Az.: 1 A 13.16). Einer der Kläger ist der Islamist Ibrahim Abou-Nagie.
Mit Info-Ständen in deutschen Innenstädten gingen radikale Islamisten jahrelang auf Menschenfang. An den Ständen entstand in vielen Fällen der erste Kontakt, über den vornehmlich Jugendliche und junge Erwachsene in der Salafistenszene landeten. Hinter der Aktion steht die 2005 gegründete Organisation „Die wahre Religion“, die zuletzt mehrere hundert Mitglieder gehabt haben soll. Als Gründer und Initiator gilt der Laienprediger Abou-Nagie. Bis Mitte 2016 sollen seine Helfer rund 3,5 Millionen Koranexemplare verteilt haben. Mehrere Millionen Euro soll das gekostet haben.
Für den Verfassungsschutz war die Koran-Verteilaktion in den Fußgängerzonen nur Fassade, um für eine verfassungsfeindliche Ideologie zu werben. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stützte das Verbot entsprechend auf die Verfassungswidrigkeit der Organisation nach dem Vereinsrecht. Das dahinter stehende Predigernetzwerk lehre ein extremistisches Verständnis der Scharia, das im Widerspruch zum Grundgesetz stehe. Bundesweit seien rund 140 junge Islamisten nach einer Radikalisierung durch „Lies!“ in die Kampfgebiete der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gereist, hatte de Maizière gesagt. „Das mussten wir unterbinden.“