„Containern“ Lebensmittel aus dem Abfall – auch das kann Diebstahl sein

Düsseldorf · Mit dem sogenannten „Containern“ wollen Aktivisten auf Lebensmittelverschwendung hinweisen. Doch das ist Diebstahl. Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck sprach gegen zwei Aktivisten eine Verwarnung aus.

 Zu gut für die Tonne: Viele Lebensmittel landen im Müll.

Zu gut für die Tonne: Viele Lebensmittel landen im Müll.

Foto: Marius Becker/dpa/Marius Becker

„Sie tun etwas gegen Lebensmittelverschwendung? Dann bewerben Sie sich um den ,Zu gut für die Tonne!-Bundespreis 2019‘.“ Der Aufruf von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) muss wie Hohn klingen in den Ohren zweier junger Frauen, die das Problem der Lebensmittelverschwendung auf ihre Art angehen. Sie machen durch sogenanntes „Containern“ darauf aufmerksam. Das Ziel von Menschen, die weggeworfene Lebensmittel aus Abfallcontainern von Supermärkten herausholen, geht oftmals über den bloßen kostenlosen Konsum hinaus. Die politische Botschaft: Es könne nicht sein, dass Lebensmittelverschwendung ohne rechtliche Folgen bleibt, während diejenigen, die dagegen aktiv werden, verfolgt werden.

Dass es genau so ist, mussten die beiden nun am eigenen Leib erfahren. Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck sprach eine Verwarnung mit Strafvorbehalt wegen Diebstahls aus. Eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 15 Euro müssen sie dann bezahlen, wenn sie in den nächsten zwei Jahren noch einmal mit so etwas auffallen. Die Studentinnen hatten aus dem Abfallcontainer eines Supermarktes Lebensmittel geholt, die laut Filialleiter einen Verkaufswert von 200 Euro hatten. Das Amtsgericht selbst sagte zwar, dass die bewusst aussortierten Lebensmittel kaum etwas wert gewesen waren, sah sich aber rechtlich nicht in der Lage, die Sache ohne Konsequenzen zu lassen.

Der Diebstahls-Paragraf setzt voraus, dass man eine „fremde“ Sache wegnimmt. Fremd ist die Sache dann, wenn sie jemand anderem gehört. Nun ließe sich argumentieren, der Supermarkt habe die Lebensmittel doch weggeworfen und damit das Eigentum daran aufgegeben. Dann könne nicht von einer „fremden Sache“ die Rede sein, ein Diebstahl wäre ausgeschlossen. Allerdings sehen die meisten Juristen in solchen Fällen keine Eigentumsaufgabe. Der Supermarkt gebe nicht sein Eigentum auf, sondern wolle die Entsorgung sicherstellen.

„Besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung“

Es hätte noch einen anderen Weg gegeben, die Studentinnen ohne Sanktion nach Hause zu schicken. Nach § 248 a Strafgesetzbuch wird ein Diebstahl geringwertiger Sachen nur auf Antrag des Verletzten verfolgt. Hier hatte der Supermarktbetreiber seinen Strafantrag zurückgezogen und das Gericht war selbst auch nur von einem geringen Wert des Diebesgutes (hier liegt die Grenze bei knapp 50 Euro) ausgegangen. Doch auch ohne Strafantrag des Diebstahlsopfers muss eine Sanktion erfolgen, wenn die Staatsanwaltschaft „wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält“. Eben das taten die Ankläger. Was besonders bizarr erscheint, weil just in dieser Woche ein viel bedeutenderer Fall in Teilen sein Ende fand, weil das Gericht in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft kein weiter bestehendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung sah: Im Fall der Verfahrenseinstellung gegen sieben Angeklagte im Loveparade-Prozess.

Doch zurück zum Containern: Die Studentinnen haben parallel zu ihrem Strafverfahren auch eine politische Initiative gestartet. Die Gesetzeslage müsse geändert werden, fordern sie in ihrer Petition, die bereits von knapp 105.000 Unterstützer auf der Online-Plattform weact.campact.de geteilt wurde. „Lebensmittelrettung“ dürfe keine Straftat sein, fordern sie. Die Petition richtet sich an die für Rechtsfragen zuständige Justizministerin Katarina Barley. Aber vielleicht ist sie ja auch etwas für deren Kabinettskollegin Julia Klöckner und ihren Wettbewerb „Zu gut für die Tonne“.

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