30 Jahre Mauerfall : Thomas Krüger über sein Leben in Ost und West: „Die DDR war für mich ein Trainingslager“
Berlin Thomas Krüger, Chef der Bundeszentrale für Politische Bildung, über seine zwei Leben in Ost und West. In Berlin startet die Mauerfall-Erinnerungswoche.
Thomas Krüger hat zwei Leben gelebt, mindestens. Der 60-Jährige – gebürtiger Thüringer – verbrachte die ersten 30 Jahre bis zum Mauerfall als Kind der DDR. Er war dort Theologe und Mitbegründer der Ost-SPD. Danach begann seine politische Karriere im Westen, wo er nun seit 19 Jahren Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung ist.
Leben kann man nicht vergleichen. Aber in welchem Land war das Leben besser?
Thomas Krüger: Ohne Frage in dem Land, in dem ich mich frei bewegen kann und in dem ich denken kann, was ich will. Trotzdem gehört natürlich auch meine DDR-Vergangenheit zu mir. Ich würde sagen, die DDR war für mich so etwas wie ein Trainingslager, um mich an autoritären und diktatorischen Strukturen abzuarbeiten – und Freiheit und Demokratie umso mehr schätzen zu lernen.
Hat die Mauer für einen Heranwachsenden in der DDR eine starke Rolle gespielt?
Krüger: Nein, man hat sie eher ausgeblendet. Weil es auch unerträglich ist, wenn man realisiert, dass man eingemauert ist. Viele haben für sich kleine Fluchten und Freiräume gesucht. Ich zum Beispiel bin häufig im Transit durch die Sowjetunion gereist und habe dabei versucht, möglichst weit von der vorgegebenen Route abzuweichen.
Was haben Sie beim Mauerfall empfunden?
Krüger: Die Bürgerrechtsbewegung war damals gerade stark im Aufwind, und wir glaubten, dass wir aus der DDR ein demokratisches Land machen könnten. Mit der chaotischen Öffnung der Mauer verflogen diese Träume. Für mich war der 9. November eher ein Schock und ein Moment der Enttäuschung.
Weil die DDR-Bürgerbewegung immer unterschätzt hat, dass eine Mehrheit der Menschen keinen neuen Staat, sondern nur die D-Mark und ein vereinigtes Deutschland wollte?