Trotz Rekordreserve Krankenkassen mit Beitragsentlastung zögernd

Berlin (dpa) - Trotz einer Rekordreserve von 19,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr sind die gesetzlichen Krankenkassen teils zögerlich mit Entlastungen der Beitragszahler.

Das Potenzial für Beitragssatzsenkungen sei bislang nicht ausgeschöpft worden, merkte das Bundesgesundheitsministerium an diesem Freitag in Berlin an.

Die gesetzlichen Kassen erzielten im vergangenen Jahr einen Überschuss von 3,15 Milliarden Euro. Der Gesundheitsfonds, die Geldsammel- und -verteilstelle der Krankenversicherung, habe liquide Mittel von 9,1 Milliarden Euro. Unterm Strich verfügt die gesetzliche Krankenversicherung somit über ein Geldpolster von mehr als 28 Milliarden Euro.

Der Zusatzbeitrag, den die Kassen selbst festlegen und der derzeit noch allein zu Lasten der Kassenmitglieder geht, lag zum 1. Januar im Schnitt bei 1,08 Prozent, so das Ministerium. Das Ressort des scheidenden Ministers Hermann Gröhe (CDU) verwies darauf, dass es den rechnerischen Zusatzbeitragssatz im Schnitt für das Jahr 2018 von 1,1 auf 1,0 Prozent abgesenkt hatte, weil dies zur Deckung der Ausgaben ausreiche.

„Nur ein Teil der Krankenkassen hat die vorhandenen Möglichkeiten zur Senkung ihres Zusatzbeitragssatzes genutzt“, so das Ministerium. Künftig sollen sämtliche Beiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und -gebern gezahlt werden.

Der Spitzenverband der Kassen verteidigte die Zurückhaltung. „Eine kleine Konjunkturdelle oder eine große Grippewelle können die Einnahmen- beziehungsweise Ausgabensituation der gesetzlichen Krankenversicherung so sehr ändern, dass es vernünftig ist, den gesetzlichen Spielraum für Rücklagen auch zu nutzen“, sagte Verbandssprecher Florian Lanz.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) forderte den Gesetzgeber auf, angespartes Geld für die Versorgung frei zu machen. Die Kassen hätten „unglaubliche Überschüsse“ - bei den Krankenhäusern fehle das Geld, sagte DKG-Präsident Gerald Gaß.

Auch die Praxisärzte verlangten indirekt mehr Geld. So seien mehr Leistungen, wie sie Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vorsähen, mit den geltenden Budgets nicht vereinbar, heißt es in einer neuen Resolution der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Besonders kritisierte die KBV den Plan von Union und SPD, das Mindestsprechstundenangebot für gesetzlich Versicherte von 20 auf 25 Stunden zu erhöhen. Schon heute betrage die Arbeitszeit der Ärzte und Psychotherapeuten im Schnitt 52 Stunden pro Woche, so die KBV. Lanz wies die KBV-Bedenken als nicht nachvollziehbar zurück.

Die Ausgaben für Ärzte stiegen 2017 um 1,9 auf 42,6 Milliarden, für Krankenhäuser um 1,9 auf 75,6 Milliarden und für Arzneimittel um 1,4 auf 39,9 Milliarden Euro.

Gröhe sagte: „Alles spricht dafür, dass die gesetzliche Krankenversicherung auch im Jahr 2018 schwarze Zahlen schreibt.“ Sie sei damit gut gerüstet für die weitere Verbesserung der Gesundheitsversorgung und bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege.

2017 standen Einnahmen von rund 233,7 Milliarden Euro Ausgaben von 230,6 Milliarden Euro gegenüber. Damit sind die Einnahmen der Krankenkassen um 4,3 Prozent und die Ausgaben insgesamt um 3,5 Prozent gestiegen.

Den höchsten Überschuss erzielten Ortskrankenkassen (AOK) mit 1,45 Milliarden Euro. Die Ersatzkassen wie Techniker (TK), Barmer und DAK-Gesundheit kamen demnach auf ein Plus von 1,2 Milliarden, die Betriebskrankenkassen auf 295 Millionen, die Knappschaft auf 102 Millionen und die Innungskassen auf 174 Millionen Euro.

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