Krank durch Psycho-Stress

Mehr Arbeitnehmer fallen mit psychischen Erkrankungen aus.

Düsseldorf. Die Arbeitswelt verändert sich: Schnell noch unterwegs Mails beantworten, beim Abendessen mit der Familie nebenbei Termine koordinieren, im Urlaub per Telefon immer auf dem neuesten Stand bleiben. Die Arbeit wird schneller, Verantwortung wächst, Anforderungen steigen. Dazu kommen berufliche Unsicherheit zum Beispiel durch befristete Arbeitsverträge und instabilere soziale Beziehungen wegen häufiger Berufs- und Ortswechsel.

Diese Tendenzen sieht das Bundesarbeitsministerium in einem Bericht als zentral dafür an, dass immer mehr Menschen in Deutschland wegen psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz ausfallen. Ob allerdings die Ursache der Erkrankung im Job liegt, dazu wurden für den Bericht keine Daten erhoben.

Fest steht, die Zahl der Ausfälle steigt drastisch: 2001 wurden noch 33,6 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage registriert, 2010 bereits 53,5 Millionen — anteilig an allen Krankheitstagen entspricht dies einem Anstieg von 6,6 auf 13,1 Prozent.

Frauen sind dem Bericht zufolge häufiger betroffen als Männer. Durchschnittlich fehlten sie, gerechnet je 100 Versicherte, 241,1 Tage lang wegen psychischer Probleme (Männer: 137,8 Tage). Besonders viele Fehltage werden aus dem Sozial- und Erziehungsbereich, dem Gesundheitsdienst sowie der Papierherstellung gemeldet.

Gab es 2001 rund 39 000 Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit infolge psychischer Erkrankungen, waren es 2010 bereits 70 900. Ältere Erwerbstätige ab 45 Jahren treffe es am häufigsten. Leiharbeiter arbeiteten unter Bedingungen, „die die Gesundheit negativ beeinflussen können“ — schlechter qualifiziert, mit der Arbeit unzufriedener, ein höheres Jobverlust-Risiko.

Neue Gesetze soll es laut Arbeitsministerium derzeit nicht geben. Zuerst solle das Wissen zu Ursachen, Zusammenhänge und Folgen von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz verbreitert werden, sagte eine Sprecherin.

Mit Arbeitgebern und Gewerkschaften sei vereinbart, das Thema in der „Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie“ anzugehen. Es gebe große Wissenslücken, wenn es darum gehe, was Unternehmen im Alltag tun können, um ihre Beschäftigten gegen psychische Belastungen zu stärken.

„Firmen und Arbeitnehmer müssen Missstände abstellen“, sagte Rainer Lange, Sprecher der DAK-Krankenversicherung in Nordrhein-Westfalen. Inzwischen seien aber mehr Firmen bereit, sich beraten zu lassen.

Im DAK-Gesundheitsreport 2011 landeten psychische Erkrankungen mit 15 Prozent auf Platz drei der häufigsten Krankheiten. Neben steigendem Arbeitsdruck sieht Lange die wachsende Sensibilisierung für das Thema als Grund für steigende Zahlen. Die Hemmschwelle im Umgang mit psychischen Erkrankungen sinke.

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