Karlsruhe: Ehegattensplitting auch für Homosexuelle

Karlsruhe/Berlin (dpa) - Neuer Rüffel aus Karlsruhe für die Bundesregierung: Der Staat muss auch Homo-Paaren die Steuervorteile beim Ehegattensplitting gewähren. Das entschied das Bundesverfassungsgericht und maßregelte die Koalition damit zum wiederholten Mal in Sachen Gleichstellung Homosexueller.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält eine rasche Umsetzung für machbar. Die Opposition reagierte mit Genugtuung auf das Urteil und forderte die vollständige Gleichstellung Homosexueller.

Durch das Ehegattensplitting wird die Steuerbelastung von Eheleuten gesenkt. Nach Auffassung der Karlsruher Richter sollen davon auch Schwule und Lesben profitieren, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft geschlossen haben. Die derzeitigen Regelungen im Einkommenssteuergesetz seien verfassungswidrig, hieß es in dem Beschluss. (Az.2 BvR 909/06)

Die Richter verlangten, dass die Steuergesetze rückwirkend zum 1. August 2001 geändert werden. Seitdem gibt es eingetragene Lebenspartnerschaften in Deutschland. Um die Ungleichbehandlung zu beenden, stehen laut Gericht verschiedene Wege offen. Übergangsweise sollen die derzeitigen Regeln zum Ehegattensplitting auf die homosexuellen Lebenspartnerschaften angewendet werden.

Auf den Staat kommen überschaubare Mehrkosten zu: Nach Berechnungen des Steuerrechtsexperten Frank Hechtner ergeben sich bei 34 000 eingetragenen Lebenspartnerschaften Mindereinnahmen von künftig etwa 44 Millionen Euro pro Jahr. Das Finanzministerium geht von weniger als 30 Millionen Euro jährlich aus. In vielen Fällen haben sich homosexuelle Paare die Gleichstellung bereits erstritten und schon vom Ehegattensplitting profitiert.

Die Koalitionäre reagierten unterschiedlich. Die FDP kritisierte CDU und CSU für ihre bisherige Haltung. FDP-Chef Philipp Rösler sagte: „Es ist bedauerlich, dass die Union bisher nicht zu einer gesetzlichen Regelung bereit war, obwohl das Urteil so zu erwarten war.“ Fraktionschef Rainer Brüderle erklärte: „Wir wollen das Urteil zügig umsetzen.“

Das CDU-geführte Finanzressort kündigte an, nun unmittelbar mit den Fraktionen zu besprechen, wie die gesetzgeberische Umsetzung „umgehend in die Wege geleitet werden kann“. Es sei möglich, dies noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) sagte, es sei vernünftig, wenn der Kreis der Berechtigten beim Splitting nun ein wenig größer werde.

Die CSU tut sich allerdings schwer damit. Der CSU-Abgeordnete Norbert Geis rügte den Beschluss als falsch. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, die Privilegierung von Ehe und Familie müsse auch in Zukunft außer Frage stehen. Die Unions-Fraktion will am Freitagmorgen in einer Sondersitzung über das weitere Vorgehen beraten. Der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann mahnte, die Koalition müsse aus eigener Kraft einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen.

SPD und Grüne drängeln bereits. Sie drücken aufs Tempo, um die Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen. Beide Fraktionen beantragten, schon am Freitag im Bundestag über einen entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrates zu debattieren.

Die Opposition wertete das Urteil als Klatsche für die Regierung. „Merkels Koalition ist eine Getriebene des Bundesverfassungsgerichts“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Die Linke-Politikerin Barbara Höll sprach von einer „Watschen aus Karlsruhe“, Grünen-Fraktionschefin Renate Künast von einer weiteren Ohrfeige für das „verstaubte Gesellschaftsbild“ der Regierung Angela Merkels (CDU). Der Lesben- und Schwulenverband mahnte, jetzt sei die vollständige Gleichstellung geboten.

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