Kapitänleutnant soll tote „Gorch Fock“-Kadettin diffamiert haben

Glücksburg/Flensburg (dpa) - Ein Kapitänleutnant soll in einem Kommentar auf den Internetseiten des „Flensburger Tageblatts“ die verunglückte „Gorch Fock“-Kadettin Jenny Böken und deren Eltern diffamiert haben.

„Da sind sie wieder, die Bökens: Mit einem Sammelsurium absurder Hirngespinste betreffs des Toded (sic!) ihrer Tochter vergeuden sie seit mehreren Jahren das Geld anständiger Steuerzahler, indem sie selbst nach umfassender Untersuchung dieser Angelegenheit durch die Staatsanwaltschaft nach wie vor leugnen, dass ihre Tochter schlicht und ergreifend in Darwin-Award-fähiger Weise von der Back der "Gorch Fock" gestürzt ist“, schrieb der Verfasser am 14. Juli um 11.17 Uhr in einem Leserkommentar. Der Darwin-Award wird an Menschen verliehen, die sich versehentlich auf besonders dumme Weise selbst töten.

Jenny Böken ertrank 2008 im Alter von 18 Jahren nach einem Sturz von der „Gorch Fock“ in der Nordsee. Ihre Eltern haben vor kurzem Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht, um die genauen Umstände ihres Todes klären zu lassen. In dem unter dem Namen eines Kapitänleutnants der Marine verfassten Leserkommentar heißt es dazu: „Was die Tauglichkeit der Tochter angeht, stellt man sich ohnehin die Frage, wie es möglich ist, dass derart treusorgende und beinahe allwissende Eltern es versäumt haben, ihrer nicht nennenswert belastbaren Tochter den Gedanken, zur Deutschen Marine zu gehen, auszureden. Wenn die Gerichte schon belästigt werden sollen, dann gerne mit dieser Frage.“

Die Marine prüft nun, ob gegen den Kommentarschreiber ermittelt wird. Derzeit gebe es jedoch noch keine Ermittlungen, sagte ein Sprecher am Freitag. Zunächst müsse unter anderem die Identität des Verfassers überprüft werden. Der Chef des Stabes im Flottenkommando in Glücksburg, Georg von Maltzan, erklärte, der Vorgang mache die Marine sehr betroffen. Die Äußerungen seien aus Marinesicht völlig inakzeptabel. In solchen Angelegenheiten sei eine Trennung zwischen dienstlich und privat nicht möglich.

„Es gibt wohl Kreise in der Marine, die nicht damit leben können, dass wir Fragen stellen“, sagte der Vater der ums Leben gekommenen Kadettin, Uwe Böken, der Nachrichtenagentur dpa. Offensichtlich habe die Marine etwas zu verbergen. Der Anwalt der Eltern von Jenny Böken prüfe strafrechtliche und zivilrechtliche Mittel gegen den Schreiber. „Wir werden so lange fragen, bis wir Antworten bekommen“, sagte Böken. Den Eintrag im Internet werte er als frauenfeindlich. Offensichtlich hätten Teile der Marine ein Problem damit, dass Frauen in der Marine seien. Laut einem Bericht des „Flensburger Tageblatts“ wollen sich die Eltern wegen der Äußerungen auch an den Inspekteur der Marine, Axel Schimpf, wenden.

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