Interview Das sagt ein Hymnenexperte zu der Debatte um die deutsche Nationalhymne

Berlin · Für die dritte Strophe der Hymne müsse man sich nicht schämen, sagt der Hymnenexperte und Historiker Peter Mario Kreuter. Vielmehr sei das Lied eines der schönsten, so Kreuter im Gespräch mit unserer Redaktion.

 Wir brauchen keine neue Hymne, sagt Historiker Peter Mario Kreuter.

Wir brauchen keine neue Hymne, sagt Historiker Peter Mario Kreuter.

Foto: IOS Regensburg/neverflash.com/Juliane Zitzlsperger, neverflash.com

30 Jahre nach dem Mauerfall wünscht sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) eine neue Nationalhymne, die unbelastet ist und Ost und West stärker verbindet. Das Lied könne dafür aber nichts, so der Hymnenexperte und Historiker Peter Mario Kreuter vom Leipniz-Institut Regensburg. Vielmehr sei es eines der schönsten, so Kreuter im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Kreuter, brauchen wir eine neue Hymne?

Peter Mario Kreuter: Nein. Das Haydensche Lied ist eines der musikalisch anspruchsvollsten und schönsten. Und vor allem funktioniert es als Nationalhymne, da es sich durch die vielen Wiederholungen gut einprägt.

Bodo Ramelow geht es ja insbesondere um den Text.

Kreuter: Einigkeit und Recht und Freiheit könnte man auch als Staatsdevise für die Bundesrepublik Deutschland nehmen. Im Gegensatz zur sehr problematischen ersten Strophe und der kitschigen zweiten, auch wenn sie mir gut gefällt – für die dritte Strophe muss man sich nicht schämen.

Verbindet die Hymne die Deutschen in Ost und West tatsächlich nicht?

Kreuter: Dass wir in vielen Gegenden Deutschlands noch kein Einheitsgefühl haben, ist sicherlich wahr. Aber das ist nicht die Schuld der Hymne. Da müssen sich die Politiker vielleicht mal an die Nase fassen.

Was hat die deutsche Hymne, was andere nicht haben?

Kreuter: Sie ist kein wildaufbrausender Marsch, sondern besonders feierlich. Auch hat sie musikalisch und textlich überhaupt nichts Kriegerisches. Das Lied kann man in der Kirche als Choral singen und problemlos und ohne große Erklärungen der ersten Klasse in der Grundschule vorlegen. Es ist ein ganz großer Vorteil, dass die Hymne so schön universell passt.

Andere sind da aber etwas schmissiger – wie die britische oder die französische.

Kreuter: Natürlich. Marschartige Hymnen sind super für Fußballspiele oder für die großen nationalen Momente. Sie werden aber auch schnell textlich obsolet. Das haben wir bei unserer nicht.

Gibt es Länder, die keine Hymne haben?

Kreuter: Pseudo-Staaten haben keine. Aber eine Hymne muss sein. Weil sie auch zum militärischen Protokoll gehört. Man kann auch gerne mehrere haben. Dänemark zum Beispiel hat eine Landes- und eine Königshymne.

Es gibt auch die Debatte, die Hymne geschlechterneutral umzuschreiben. Ist das inzwischen üblich?

Kreuter: Österreich hat den amtlichen Text seiner ersten Strophe geändert von ,Heimat bist du großer Söhne‘ in  ,Heimat großer Söhne und Töchter‘. Gegen geschlechtsneutral habe ich allerdings etwas, denn dann verschwinden die Frauen schon wieder. Wenn man sich also am Begriff Vaterland stört, dann bitte nicht Heimatland, sondern warum nicht Mutterland? Wir haben schließlich auch eine Muttersprache. (has)

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