Programmparteitag in Berlin Grüne schwören sich aufs Mitregieren ein

Kretschmann wirbt für Geschlossenheit.

 Die Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt, beim Grünen-Bundesparteitages (16.-18. Juni).

Die Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt, beim Grünen-Bundesparteitages (16.-18. Juni).

Foto: Rainer Jensen

Berlin. Der Spitzenkandidat und Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, hat seine Partei auf eine Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl im Herbst eingeschworen. „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und dieses Land mitzugestalten“, sagte Özdemir am Freitag zum Auftakt des Bundesparteitages der Grünen in Berlin.

Als Wahlziel gab Özdemir den dritten Rang unter den Parteien aus: „Auf Platz drei entscheidet sich, welche Richtung unser Land einschlagen wird“. Die Grünen sind seit zwölf Jahren in der Opposition und gegenwärtig nur viertstärkste und damit kleinste politische Gruppierung im Bundestag. Für eine künftige Koalition schloss Özdemir weder ein Bündnis mit der Union noch mit der SPD aus. „Wenn alle immer alles ausschließen, bleibt es am Ende bei der großen Koalition.

Und die wollen wir ablösen“, rief Özdemir unter großem Beifall. Deshalb könne man mit allen reden, außer der AfD. Allerdings grenzte er sich auch von der Linkspartei ab: Man werde mit Sahra Wagenknecht „nicht über Menschenrechtsrabatte für ihre Freunde in Russland und Venezuela“ reden.

Im Mittelpunkt der dreitägigen Beratungen steht die Debatte über das Wahlprogramm, das am Sonntag verabschiedet werden soll. Das Treffen findet in einer für die Partei schwierigen Lage statt. Die Umfragen haben sich seit dem vergangenen Jahr auf etwa sieben bis acht Prozent fast halbiert. Die Co-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt attestierte ihrer Partei am Freitag per Interview ein Image-Problem. „Der Parteitag muss die Wende bringen“, so Göring-Eckardt.

Zu den prominenten Rednern am ersten Beratungstag gehörte auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Auf dem Parteitag im November in Münster war der einzige grüne Regierungschef der Republik mit seinem „Nein“ zur Vermögensteuer noch bei großen Teilen der Basis politisch angeeckt. Diesmal zeigte sich Kretschmann beinah staatsmännisch. Er warb für Geschlossenheit und ein starkes grünes Selbstbewusstsein. Angesichts der großen Herausforderungen beim Klima- und Artenschutz seien die Grünen „so dringend notwendig wie nie zuvor“. Die Partei werde stark werden, „weil wir die Menschheitsfragen in den Mittelpunkt stellen.“ Am Ende gab es dafür freundlichen Applaus.

Am späten Abend wollte sich der Parteitag noch mit den Programm-Kapiteln Umwelt und Landwirtschaft beschäftigen. Gefordert werden hier zum Beispiel ein Ausbau der Recycling-Systeme, eine „giftfreie“ Agrar-Wirtschaft sowie der Ausstieg aus der Massentierhaltung. Dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend zufolge haben die Grünen bei solchen Fragen aber offenbar ihr politisches Alleinstellungsmerkmal eingebüßt. So halten 57 Prozent der Bundesbürger die Grünen für nicht mehr so wichtig, weil sich auch andere Parteien um Umwelt-und Klimaschutz kümmerten. Nur 16 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass die Grünen ein überzeugendes Führungspersonal haben.

An diesem Samstag soll auch der stellvertretende Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Robert Habeck, eine Rede halten. Viele Parteimitglieder wünschen sich Habeck als künftigen Vorsitzenden, nachdem Özdemir angekündigt hatte, bei der nächsten turnusmäßigen Vorstandswahl im Herbst nicht mehr für den Posten anzutreten. Allerdings will Habeck, der Özdemir beim Basisvotum zur Spitzenkandidatur nur knapp unterlegen war, auch in der neu gebildeten „Jamaika-Koalition“ aus CDU, FDP und Grünen weiter Umweltminister in Kiel bleiben. Und nach der Satzung der Partei dürfen grüne Vorstandsmitglieder nicht gleichzeitig einer Bundes- oder Landesregierung angehören.

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