Grüne ringen um den Atom-Konsens

Ein Sonderparteitag soll über eine mögliche Zustimmung zu den schwarz-gelben Ausstiegsplänen entscheiden.

Berlin. Wie immer ohne Zwischenrufe und ohne jeden Applaus absolvieren die Ministerpräsidenten nebst Entourage diese 884. Sitzung der Länderkammer.

Nur eines ist neu: Winfried Kretschmann, der erste Grüne an der Spitze einer Landesregierung, hält seine erste Rede im Bundesrat. Das Thema ist ein urgrünes: der Atomausstieg und die damit verbundene Energiewende.

Kretschmann könnte also frei reden, was einen Grünen in diesen Tagen des Atomausstiegsbeschlusses bewegt, was ihn freut oder was ihm nicht genügt an den vorliegenden sieben Gesetzesentwürfen für eine Energiewende in Deutschland.

Doch „Kretsch“, wie ihn später am Tag an anderer Stelle Grünen-Chefin Claudia Roth nennen wird, spricht nicht frei. Er liest einen vorbereiteten Text ab. Als wollte er auch nur jeden Anschein von Triumphgefühl über den nahen Ausstiegskonsens vermeiden: Nach Fukushima bewege sich die schwarz-gelbe Bundesregierung „endlich in die richtige Richtung“, deutet er einen Hauch von Angriffsbereitschaft an.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erinnert an die 16:0-Position, mit der die Ministerpräsidenten kürzlich bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Sachen Atomausstieg vorgefahren waren.

Erneut fordert Kraft eine „echte Beteiligung“ der Länder beim Atomausstieg. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) reicht jedenfalls die Hand zu einem „nationalen Gemeinschaftsprojekt“.

Ob es die Zustimmung der Grünen gibt, hängt auch vom Ausgang des Atom-Sonderparteitags in einer Woche in Berlin ab. Die Partei- und Fraktionsspitze im Bund wie auch die Grünen, die in Ländern (mit-)regieren, sind für den Konsens.

Der Bundesvorstand legte gestern einen Leitantrag für den Parteitag am 25. Juni vor, in dem er den Delegierten die Zustimmung zum eigentlichen Ausstiegsgesetz empfiehlt. Doch die Basis will noch basisdemokratisch gefragt und gegebenenfalls überzeugt werden.

Die Anti-AKW-Bewegung, als deren Teil sich die Grünen stets verstanden haben, warnt die Ökopartei schon vor einer Zustimmung zum schwarz-gelben Atomausstieg. Im Wendland mit dem Atommüll-Lager Gorleben fürchten Kernkraftgegner, dass die Grünen nach einem Atomausstiegsgesetz später auch einem Endlagergesetz „mit Gorleben im Pool“ zustimmen könnten.

Parteichefin Roth aber sieht den nahen Ausstiegskonsens als „objektiven Erfolg“. Und sagt: „Wir Grünen wären ziemlich bescheuert, wenn wir uns diesen Erfolg wegdefinieren ließen.“

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