Grüne profitieren von Atomkatastrophe in Japan

Berlin (dpa) - Die Grünen profitieren stimmungsmäßig von der Atomkatastrophe in Japan. Im neuen „Deutschlandtrend“ des ARD-Morgenmagazins vom Freitag steigen sie in der Wählergunst um fünf Prozentpunkte.

Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, kämen die Grünen auf 20 Prozent.

Nach der Umfrage von Infratest dimap halten gut zwei Drittel der Bürger (68 Prozent) das Aussetzen der Laufzeitverlängerung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für ein reines Wahlkampfmanöver. Nur jeder vierte Bürger (26 Prozent) hält das dreimonatige Moratorium für einen glaubwürdigen Kurswechsel der Union.

Die CDU/CSU erreicht in der Umfrage mit 35 Prozent dasselbe Ergebnis wie in der Vorwoche, auch die SPD bleibt mit 28 Prozent stabil. Die FDP verliert einen Punkt und liegt nun bei 5 Prozent. Die Linke büßt zwei Punkte auf 7 Prozent ein.

Der Streit zwischen Regierung und Opposition über einen Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie beschäftigt heute (Freitag) auch den Bundesrat. Die Länderkammer wird über einen Antrag aus Nordrhein-Westfalen diskutieren, die kurz vor Weihnachten vom Bundestag beschlossene Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke wieder zurückzunehmen.

Die unionsregierten Länder wollen dagegen für das dreimonatige Moratorium der Bundesregierung und das vorläufige Abschalten der sieben ältesten Atommeiler plädieren. Keiner der beiden Anträge dürfte eine Mehrheit bekommen. Zu Beginn der Sitzung wird die Länderkammer der Erdbebenopfer in Japan gedenken.

Unterdessen geht das Herunterfahren jener älteren Atomkraftwerke weiter, die für drei Monate vom Netz gehen sollen. Heute (Freitag) sollen auch die Meiler Unterweser in Niedersachsen und Biblis A in Hessen abgeschaltet werden. Andere Kraftwerke wie Isar I sind bereits vom Netz gegangen. Insgesamt sollen acht Atomkraftwerke ein Vierteljahr lang stillstehen.

Nach einem Bericht des Politmagazins „Kontraste“ sollen die Sicherheitsnormen für die 17 Atommeiler drastisch verschärft werden. Das gehe aus einem geheimen Papier des Bundesumweltministeriums hervor, das als Entscheidungsgrundlage für das dreimonatige Atommoratorium diente. Die Hürden seien nach Betreiberkreisen so hoch, dass ein völliges Ende des deutschen Atomzeitalters eingeläutet werden könnte. Gefordert würden unter anderem hochwasser- und erdbebensichere Atomkraftwerke. Alle Nachrüstungsmaßnahmen müssten die Gefahren eines Stromausfalls besser abwenden. Auch Flugzeugabstürze dürften demnach keine Gefahr mehr darstellen. Laut „Kontraste“ erfüllt derzeit kein einziger deutscher Meiler diese Kriterien.

Angesicht der Atomkrise in Japan sieht Grünen-Chef Cem Özdemir die Atomenergie an einem entscheidenden Wendepunkt: „Ich prognostiziere, dass die Atomenergie in Demokratien keine Zukunft mehr hat“, sagte er dem Sender hr-iNFO.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger hält einen europaweiten Ausstieg aus der Kernkraft für unwahrscheinlich. Er habe zwar „Verständnis für die deutsche Entwicklung seit Montag“, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“ (Freitag). Doch würden viele Mitgliedstaaten „auch in diesen Tagen an der Kernkraft als zentralem Pfeiler ihrer Energieversorgung festhalten“.

In den „Stuttgarter Nachrichten“ (Freitag) forderte Oettinger die EU-Mitgliedsstaaten auf, sich aktiv am geplanten Stresstest für die insgesamt 143 Kernkraftwerke in Europa zu beteiligen: „Wir brauchen diese Neubewertung der Sicherheitslage vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan.“ Er vermute, dass bei den Überprüfungen der einzelnen Reaktoren Verbesserungen an den Sicherheitsstandards mancher Anlagen vorgeschlagen werden. Dies gelte es auch umzusetzen: „Kein Land und kein Kernkraftwerksbetreiber wird sich dem objektiven Ergebnis eines Gutachtens entziehen können.“

FDP-Chef Guido Westerwelle wies erneut den Vorwurf zurück, die Bundesregierung wolle mit ihren Maßnahmen nur die Landtagswahlen überstehen. „Wer nach einer solchen Tragödie solche Vorwürfe erhebt, sagt damit mehr über sich und seine Vorstellung von Verantwortung aus als über andere“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag). „Es ist ja nicht die Bundesregierung alleine, die eine Überprüfung der Kernkraftwerke angekündigt hat.“

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