Gepäckstück in Namibia war keine Bombe

Berlin/Hamburg (dpa) - Entwarnung nach dem Bombenalarm in Namibia, doch die Angst vor einem Anschlag in Deutschland bleibt. Das vor einem Flug nach München entdeckte Gepäckstück war nur eine Attrappe für Sicherheitstests - die angeblich von einer 80-Jährigen in einer kalifornischen Garagenfirma gebaut wurde.

Unterdessen heizt die jüngste Terrorwarnung vor islamistischen Anschlägen in Deutschland die Debatte um neue Sicherheitsgesetze an - die Innenminister wollen Telefon- und Internetdaten wieder auf Vorrat speichern. Zudem sorgen vermehrt herrenlose Gepäckstücke für größere Polizeieinsätze und Behinderungen etwa im Bahnverkehr.

In dem Testkoffer, der am Mittwoch auf dem Flughafen Windhuk entdeckt worden war, sei kein Sprengstoff gewesen, erläuterte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitag. Die Flugpassagiere seien nicht in Gefahr gewesen. Unklar blieb, wer den „Realtest-Koffer“ der US-Firma Larry Copello im afrikanischen Windhuk platzierte. Sowohl die deutschen als auch die namibischen Sicherheitsbehörden erklärten, dies sei ihnen nicht bekannt.

Firmenchef Larry Copello stellte nach eigenen Angaben den Testkoffer von Windhuk her. Er habe ihn anhand von Fotos identifiziert, die ihm FBI-Agenten gezeigt hätten, sagte der 64-Jährige der Deutschen Presse-Agentur dpa und anderen Medien.

Die Attrappe sei wahrscheinlich vor etwa vier Jahren gebaut worden, vermutlich von seiner damals 80 Jahre alten Schwiegermutter, sagte der Chef der drei Mitarbeiter zählenden Firma. Wie die Attrappe, die seine Firma für Sicherheitstests herstelle, nach Namibia gelangt sei, könne er nicht sagen.

De Maizière hatte am Mittwoch vor einem Anschlag islamistischer Terroristen möglicherweise noch im November gewarnt. Nun mahnte er bei der Innenministerkonferenz in Hamburg erneut, nicht in Hysterie zu verfallen. „Die Verbreitung von Spekulationen hat selbst eine psychologische Wirkung.“

Er konnte nicht völlig ausschließen, dass die Bombenattrappe möglicherweise sogar ein von deutschen Sicherheitsbehörden initiierter Test war. „Ich halte das für sehr unwahrscheinlich“, sagte der Minister. Aber auch das werde „selbstverständlich“ Gegenstand der Ermittlungen sein.

Das Gepäckstück war in einer Flughafenhalle in Windhuk gefunden worden, in der zuvor das für den Air-Berlin-Flug nach München bestimmte Gepäck gelagert war. Offen blieb am Freitag zunächst, ob es „Realtests“ mit solchen Attrappen auch in Deutschland gibt. Die deutschen Behörden äußerten sich dazu nicht.

„Die Herkunft des Koffers ist Air Berlin nicht bekannt“, sagte Sprecherin Sabine Zeller der Nachrichtenagentur dpa. Die Fluggesellschaft zeigte sich zudem erstaunt über die Umstände des Bomben-Attrappen-Tests. „Sicherheitstests stehen wir grundsätzlich sehr positiv gegenüber“, sagte eine Sprecherin der „Frankfurter Rundschau“ (Samstags-Ausgabe). „Aber ein Test in dieser Art ist sehr ungewöhnlich.“

Auch das Bundeskriminalamt war nach eigenen Angaben nicht über den Test informiert. Tatsächlich hätten erst die nach Windhuk geschickten Mitarbeiter die Attrappe als solche entlarvt und den Innenminister informiert.

Nach Angaben von Innenminister de Maizière wird nun geprüft, ob, wann und an wen der Koffer verkauft worden sei. Namibias Polizeichef Sebastian Haitota Ndeitunga sagte, hätte die Laptop-Tasche echten Sprengstoff enthalten, wäre die Wirkung bei einer Zündung verheerend gewesen.

Die Innenminister von Bund und Ländern wollen Telefon- und Internetdaten wieder für mindestens sechs Monate speichern. Die Ressortchefs forderten Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) auf ihrer Konferenz auf, zügig eine Neuregelung vorzulegen. „Wir müssen sehr schnell zu einer gesetzgeberischen Lösung kommen“, sagte Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck (CDU). Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorratsdatenspeicherung im März gekippt. Seitdem dürfen Telefon- und Internetdaten nicht mehr ohne Anlass für sechs Monate gespeichert werden.

Im Hauptbahnhof Hannover sorgte am Freitag eine verdächtige Tüte für Aufregung. Weil Sprengstoffexperten die Gefahr nicht abschätzen konnten, zerschossen sie per Roboter die Tüte mit einem Wasserstrahl. Den zerstörten Inhalt wollten die Experten näher untersuchen.

Im Düsseldorfer Hauptbahnhof mussten ICE-Reisende in der Nacht zum Freitag eine zweieinhalbstündige Zwangspause einlegen. Bombenentschärfer gaben nach Untersuchung eines verdächtigen Gepäckstücks Entwarnung. Auch anderswo in Deutschland gab es ähnliche Zwischenfälle. Einige Innenministerien registrierten vermehrt Anrufe besorgter Bürger. Aber: „Es ist keine Hysterie ausgebrochen“, sagte eine Sprecher in Berlin.

Nach Angaben des Vorsitzenden Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verschärfen die Anti-Terror-Maßnahmen die ohnehin starke Belastung der Polizei. Für Dezember geplante Urlaube und freie Tage seien vielerorts gestrichen worden, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag). Dem widersprachen die Länder.

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