Geld gekauft - Satirepartei gewinnt gegen Bundestag

Berlin. Die bewusst verdüsterten Zukunftszenarien von Martin Sonneborn gingen nicht auf. Von Insolvenz und nötigen Großspenden hatte der Satiriker und Chef der „Partei“ vor dem Urteil gesprochen.

Martin Sonneborn, Vorsitzender von "Die Partei" und Abgeordneter im EU-Parlament in Berlin im Verwaltungsgericht.

Martin Sonneborn, Vorsitzender von "Die Partei" und Abgeordneter im EU-Parlament in Berlin im Verwaltungsgericht.

Foto: Kay Nietfeld

Doch das Berliner Verwaltungsgericht gab ihm und seiner „Partei“ Recht - und ließ die Bundestagsverwaltung als Verlierer dastehen. „Die Partei“ darf 70 000 Euro staatliche Zuschüsse von 2014 behalten und muss auch keine 383 000 Euro Strafe bezahlen. Obwohl die Zuschüsse nur deswegen so hoch waren, weil die Spaßpartei zuvor ihre Einnahmen mit der Satireaktion „Geld kaufen“ künstlich hochgetrieben hatte.

„Die Partei“ - 2004 von Redakteuren des Magazins „Titanic“ gegründet - hatte etwa 100-Euro-Geldscheine und zwei Postkarten für 105 Euro verkauft. Dadurch schossen die Jahreseinnahmen um mehr als 200 000 Euro in die Höhe. Auch die staatliche Förderung stieg deutlich. Die Satireaktion war eine Erwiderung auf einen ähnlich konzipierten Goldhandel der AfD. Die für die Rechenschaftsberichte der Parteien zuständige Bundestagsverwaltung befand später, bei der „Partei“ sei es um ein Scheingeschäft gegangen.

Das sah das Gericht anders. „Zugrunde lag ein konkretes Geschäft über Handel mit Geld und Postkarten“, sagte Gerichtspräsidentin und Richterin Erna Viktoria Xalter, die schon mehrere Prozesse um Parteienfinanzierungen leitete. „Es kam darauf an, dass der Handel tatsächlich stattfand.“

Zuvor war es knapp zwei Stunden um Feinheiten des Parteienrechts, staatliche Zuschüsse und Rechenschaftsberichte gegangen. Debattiert wurde über Ertrag, Zuflussprinzip und relative Obergrenze. Und es war nicht den Vertretern der „Partei“ zu verdanken, dass unter den Zuhörern trotz des trockenen Stoffs immer mal wieder Heiterkeit und Freude aufkam.

Vielmehr führte Richterin Xalter souverän, mit praxisnahen Nachfragen und kleinen ironischen Einwürfen durch die Verhandlung. Der Ministerialrat aus dem Bundestag und sein Anwalt Christian Kirchberg argumentierten: „Der Verkauf von Geldscheinen gegen Geld ist keine Einnahme.“ Xalter warf lächelnd ein: „Was würden Sie denn machen, wenn Münzen verkauft würden? Und können Sie ausschließen, dass auch diese Scheine an Wert gewinnen?“

Beim strittigen Punkt einer Unternehmertätigkeit der „Partei“ bemerkte Xalter: „Es gab ja einen Markt dafür. Es ist verrückt, aber es gab ja richtig viele Teilnehmer.“ Da konnte sich auch die Bundestagsbank das Lachen kaum verkneifen. Ein letztes Aufbäumen des Ministerialrats: „Sie können nicht Geld gegen gleiches Geld verkaufen. Das geht nicht.“ Spontaner Ausruf von Richterin Xalter: „Sie haben es aber getan.“

Letztlich hatte das damals gültige Parteiengesetz Lücken und Schlupflöcher. Das räumen selbst die Bundestagsvertreter ein: „Das Parteienrecht ist ein lernendes System“. Tatsächlich wurde das Gesetz wegen der Aktion der „Partei“ geändert.

Auch der Schatzmeister der „Partei“ lernte dazu: Beim Versand der 100-Euro-Scheine und der Postkarten wollte man damals noch zusätzlichen Gewinn machen, hatte sich aber verrechnet. Die Briefe wogen über 20 Gramm, das Porto wurde teurer. Fast hätte es Verluste gegeben. „Aber es blieben immer noch sieben Cent pro Sendung übrig.“

Das Schlusswort sprach Sonneborn, der einen Sitz im Europaparlament hat: „Die Justiz ist unabhängig. Wir sind offenbar nicht in der Türkei oder Polen.“ Der Richterin versprach er ein „Titanic“-Abonnement. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Bundestag denkt über eine Berufung nach. dpa

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