Gedenken an Opfer der Naziherrschaft

Berlin (dpa) - Zum 80. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtübernahme haben Politiker und Holocaust-Überlebende die Verantwortung der Deutschen hervorgehoben.

In einer bewegenden Gedenkstunde im Bundestag erinnerte die deutsch-israelische Schriftstellerin Inge Deutschkron am Mittwoch an die Begeisterung in Berlin nach der Übertragung der Macht an die NSDAP. Bundespräsident Joachim Gauck zog in München Lehren für heute aus dem Widerstand gegen die Nazis. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief als Konsequenz zur aktiven Teilnahme an der Politik auf.

Die 90-jährige Inge Deutschkron schilderte im Bundestag die Deportation der Berliner Juden und das Gefühl von Schuld als Überlebende. Sie erzählte, wie Beschwernisse und Bedrohung für ihre Familie nach 1933 zunahmen. „Dann waren sie alle weg, meine Familie, meine Freunde“, sagte Deutschkron, die mit ihrer Mutter in Verstecken überlebte. „Ich begann mich schuldig zu fühlen“, sagte sie. „Dieses Gefühl von Schuld verfolgte mich, es ließ mich nie wieder los.“

Deutschkron berichtete von der verbreiteten Zustimmung für Adolf Hitler nach der Machtübernahme. Im Nachkriegsdeutschland sei das Gefühl der Schuld zeitweise der Sprachlosigkeit gewichen, wenn Menschen ihr gesagt hätten: „So vergessen Sie doch (...), Sie müssen doch auch vergeben können, es ist doch schon so lange her.“

Bundestagspräsident Norbert Lammert rief im voll besetzten Plenum dazu auf, die Demokratie zu verteidigen. Dass dies auch heute noch notwendig sei, zeigten die entsetzliche NSU-Mordserie und antisemitische Gewalttaten.

Bundespräsident Gauck rief zum 70. Jahrestag der Hinrichtung von Mitgliedern der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ im Audimax der Universität München zum Engagement für die Demokratie auf: „Gerade wenn die Verhältnisse so geordnet erscheinen wie bei uns, erliegen wir leicht der Verführung, uns Politik gewissermaßen servieren zu lassen.“ Politisches Engagement verlange jedoch mehr als nur die Wahl zwischen „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“, so hilfreich und neu das Internet für die politische Meinungsbildung und Teilhabe auch sei.

Deutschland brauche demokratische Parteien und Bürger. „Seid nicht lau. Es ist euer Land“, forderte Gauck die Studenten auf. Der Kampf gegen Vorurteile, Verachtung und Hass sei eine bisweilen unangenehme, mühevolle, an manchen Orten auch gefährliche tägliche Herausforderung. „Aber nur dort, wo Zivilgesellschaft stark ist, können sich menschenfeindliche Haltungen nicht ausbreiten.“

Kanzlerin Merkel sagte bei einer Ausstellungseröffnung im Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ in Berlin, Menschlichkeit und Menschenrechte ließen sich immer nur von couragierten Menschen durchsetzen. An dem Ort waren einst die Zentralen von SS und Gestapo untergebracht. Der Aufstieg Hitlers sei möglich gewesen, weil die deutschen Eliten und weite Teile der Gesellschaft daran mitwirkten. Eine Mehrheit habe sich bestenfalls gleichgültig verhalten, sagte die Kanzlerin.

Um die Erinnerung an den Holocaust lebendig zu halten, sollten nach einem Vorschlag des Zentralrats der Juden alle Schüler Gedenkstätten oder Konzentrationslager besuchen. Zentralratspräsident Dieter Graumann sagte NDR Info, er habe die Hoffnung, dass junge Menschen dadurch ein Leben lang gegen die Versuchung von Ausgrenzung und Rassismus immunisiert würden.

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