Zum Ende der Amtszeit : Gauck sieht Demokratie in Deutschland in Gefahr
Berlin (dpa) - Bundespräsident Joachim Gauck hat in einer Rede zum Ende seiner Amtszeit vor Gefahren für die Demokratie in Deutschland gewarnt.
Er erinnerte vor etwa 200 Gästen im Schloss Bellevue an seine Antrittsrede 2012 und sagte: „Nun, nach fast fünf Jahren, bin ich stärker beeinflusst von dem Bewusstsein, dass diesem demokratischen und stabilen Deutschland auch Gefahren drohen. Und dass große Anstrengungen notwendig sein werden, um es für die Zukunft stark zu machen.“
Gauck nannte die Krise der Europäischen Union mit dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens, aber auch die Kriege im Nahen Osten und in der Ostukraine sowie die russische Besetzung der Krim. Damit seien die begrenzten Handlungsmöglichkeiten deutscher und europäischer Außenpolitik sichtbar geworden. Auch die Bedrohung durch den islamistischen Terror sei gewachsen. Mit dem Amtsantritt des gewählten US-Präsidenten Donald Trump entstünden neue Herausforderungen für die internationale Ordnung.
„Die liberale Demokratie und das politische und normative Projekt des Westens, sie stehen unter Beschuss“, betonte Gauck und forderte eine „wehrhafte und streitbare Demokratie“. Er kritisierte, dass in Teilen der Gesellschaft ein Anspruchsdenken gewachsen sei, das den Staat allein als Dienstleister sieht. „Doch Demokratie ist kein politisches Versandhaus. Demokratie ist Mitgestaltung am eigenen Schicksal“, betonte er.
In der Auseinandersetzung mit populistischen Strömungen forderte Gauck eine offensive und robuste Streitkultur. „Austausch und Diskussion sind der Sauerstoff der offenen Gesellschaft, Streit ihr belebendes Element“, sagte er. „Heftig streiten, aber mit Respekt und mit dickem Fell.“ Wie im Sport müssten dabei aber Regeln anerkannt werden. „Wir leben in rauen Zeiten“, sagte Gauck: „Oft ist nicht mehr erkennbar, was wahr ist und was falsch. Vor allem in den sozialen Netzwerken wird fast grenzenlos gelogen, beschimpft, verletzt.“
In der Debatte über Konsequenzen aus den Terroranschlägen in Deutschland plädierte Gauck für einen starken Staat. „Der Rechtsstaat verliert, wenn er sich im Kampf gegen Gewalt und Terror als zu schwach oder gar hilflos erweist.“ Mehr Sicherheit sei keine Gefahr für die Demokratie, sondern notwendig zu ihrem Schutz.