Amtszeit Gauck muss sich bald entscheiden: Bundespräsident bis 2022?

Am 24. Januar wird Bundespräsident Joachim Gauck 76 Jahre alt und steht vor der Entscheidung, ob er 2017 für eine zweite Amtszeit kandidieren will. Ein Verzicht wäre für die SPD das Signal zu einem größeren Stühlerücken in Berlin.

 Bundespräsident Joachim Gauck muss sich bald entscheiden, ob er für eine zweite Amtszeit kandidieren will.

Bundespräsident Joachim Gauck muss sich bald entscheiden, ob er für eine zweite Amtszeit kandidieren will.

Foto: dpa

Berlin. Am Freitag wird wieder einer dieser Tage sein, an denen Joachim Gauck sich möglicherweise fragt, ob er sich das noch weitere sechs Jahre lang antun will. Und ob er das überhaupt kann. 220 Repräsentanten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens werden ab 10 Uhr an ihm vorbei defilieren. Und 70 Bürger, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht haben. Für den Bundespräsidenten, der in knapp drei Wochen 76 Jahre alt wird, bedeutet das stundenlanges Stehen.

Gauck sollen schon seit längerem seine Knie und der Rücken Probleme machen, heißt es in seinem Umfeld, ihm falle langes Gehen und Stehen mittlerweile schwer. Das politische Berlin rechnet damit, dass Gauck demnächst bekannt gibt, ob er 2017 für eine zweite Amtszeit kandidieren will, an deren Ende er dann 82 Jahre alt wäre. Gauck wird sich kaum an seinem Geburtstag erklären, sondern den 13. März abwarten, wenn in drei Bundesländern gewählt wird.

Von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist bekannt, dass sie weder Wert darauf legte, Gauck 2012 nach dem Rücktritt von Christian Wulff (CDU) ins Amt zu helfen, noch dass sie ein Ausscheiden Gaucks wirklich bedauern würde. Der selbstbewusste und parteilose Präsident fährt mit seiner deutlich politischen Amtsführung bisweilen der Politik heftig in die Parade. Kaum zwei Monate nach seiner Wahl 2012 setzte sich Gauck von seinem Vorgänger ab, indem er klar erklärte, dessen Satz vom zu Deutschland gehörenden Islam so nicht übernehmen zu wollen.

Vor allem aber außenpolitisch löst der von Eitelkeit nicht gänzlich freie Präsident immer wieder gern Irritationen auf der Regierungsbank aus. Als Gauck am 1. September 2014 in seiner Danziger Rede zum Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen 1939 Kritik an der russischen Besetzung der Krim und der unverhohlenen Intervention in der Ost-Ukraine äußerte, kam das in Polen deutlich besser an als im Auswärtigen Amt, wo man das deutsch-russische Verhältnis durch die Präsidentenrede unnötig zusätzlich belastet sah. In Steinmeiers Ministerium hielt sich — ebenso wie bei der Kanzlerin — die Begeisterung über Gauck ebenfalls in Grenzen, als er im April 2015 den Völkermord der Türkei an den Armeniern genau das nannte: einen Völkermord. Und damit die Türkei provozierte.

Dass die CDU sich in der Bundespräsidenten-Frage (noch und mit Ausnahme des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier) sehr bedeckt hält, hat seinen simplen Grund darin, dass Gauck im Falle einer erneuten Kandidatur fast sicher eine Mehrheit hätte; FDP und Grüne haben ihm bereits ungefragt weitere Unterstützung zugesagt. Und auch auf Teile der CDU/CSU-Fraktion könnte Gauck zählen. Um über eigene Kandidaten nachzudenken, ist für die Union die Zusammensetzung der nächsten Bundesversammlung am 12. Februar 2017 zu wenig vorhersehbar. Dass die 2016 anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin die Zusammensetzung zugunsten der Union verändern, ist nach heutigem Stand mehr als unwahrscheinlich.

Da ein Kandidatur-Verzicht Gaucks aus gesundheitlichen Gründen aber nicht auszuschließen ist, ist zumindest bei der SPD die Nachfolge-Debatte längst in vollem Gange und auch bereits ein Kandidat gefunden: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (60) könnte es machen und stünde — ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl 2017 — wohl auch bereit, falls Gauck nicht mehr anträte. Steinmeier wäre damit auch endgültig die lästige Diskussion los, ob er nicht eigentlich der natürliche Kanzlerkandidat der SPD sei. Der Außenminister ließ längst überdeutlich durchblicken, dass er wenig Neigung verspürt, nach 2009 ein weiteres Mal gegen Angela Merkel anzutreten.

Dies wiederum könnte bei anderen Spitzen-Sozialdemokraten die Hoffnung nähren, sich 2017 auf dem Wahlplakat wiederzufinden. Dazu gehört sicher der Erste Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, der zwar noch an seiner Olympia-Abstimmungs-Pleite nagt, aber sich laut seiner Weggefährten im Grundsatz alles zutraut. Viel wahrscheinlicher dagegen ist, dass der nächste Kanzlerkandidat der SPD nicht Scholz, sondern Schulz heißt.

Martin Schulz (60), lautstärker, länger amtierend (seit 2012) und auch erfolgreicher als alle Präsidenten des Europaparlaments vor ihm, braucht einen neuen Job. Zumindest, wenn die europäischen Sozialisten sich an den Vertrag halten, den sie mit den europäischen Christdemokraten geschlossen haben. Der sieht vor, dass Schulz im Januar 2017 den Stuhl für einen Christdemokraten räumt. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass Schulz lieber bis zur nächsten Europawahl 2019 als Präsident im Amt bleiben würde. Und dass er anschließend noch lieber Präsident der Europäischen Kommission würde.

Dass das gelingt, kann Schulz vermutlich selbst nicht glauben. Andererseits ist er auch wohl niemand, der wieder irgendwo in den hinteren Reihen des Parlaments Platz nähme, wohin die Sonne medialer Aufmerksamkeit selten scheint. Da trifft es sich günstig, dass Schulz in der deutschen Sozialdemokratie weitaus besser ankommt als der gerade mit einem historisch schlechten Wiederwahlergebnis abgestrafte Parteichef Sigmar Gabriel.

Ob Gabriel überhaupt für eine Kandidatur zur Verfügung stünde, kann die SPD derzeit nur raten. Seinen Hang zur Unberechenbarkeit hat der jüngste Parteitag jedenfalls nicht gemildert. Schulz dagegen hat in der SPD quer durch alle Landesverbände Fans. Und sollte er gegen Merkel — die ihre Kandidatur zumindest offiziell noch gar nicht erklärt hat — verlieren, könnte er anschließend einen respektablen SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag abgeben.

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